56 SERVICE_FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 02 / 22 Meetings mit KI analysieren Nale Lehmann-Willenbrock lehrt und forscht an der Universität Hamburg zu Arbeits- und Organisationspsychologie. Künstliche Intelligenz kommt dabei auch zum Einsatz. Dr. Christina Guthier, Wirtschaftspsychologin in Düsseldorf Schon während ihres Psychologiestudiums an der Georg-August-Universität Göttingen hat Prof. Dr. Nale Lehmann-Willenbrock damit begonnen, sich mit Gruppenforschung zu beschäftigen. Neben dem Studium sammelte sie im Rahmen ihres Engagements in einer studentischen Unternehmensberatung Projekterfahrung und damit wertvolle Einblicke in Gruppenprozesse in der alltäglichen Zusammenarbeit in der Praxis. Da ihr die Praxisarbeit viel Freude bereitete, hatte sie eine Professur als Karriereziel zunächst nicht konkret vor Augen. Internationale und interdisziplinäre Forschung Ein einjähriges Stipendium an der University of California in Irvine ermöglichte ihr im dritten Studienjahr neue Forschungseinblicke. Gerade die sozialpsychologische Forschung vor Ort begeisterte sie, da diese gleichzeitig anwendungsbezogen und dennoch methodisch sehr hochwertig war. Sie fing an, Möglichkeiten zu sehen, ihren Spaß an der Arbeit in der Praxis mit aussagekräftiger Forschungsarbeit kombinieren zu können. So passte es für sie als nächsten Schritt sehr gut, ihre Promotion bei der anwendungsorientiert forschenden Prof. Dr. Simone Kauffeld an der Technischen Universität Braunschweig zu beginnen. Auch während ihrer Promotion war es Nale LehmannWillenbrock wichtig, immer wieder neue und internationale Forschungsimpulse in ihre Arbeit einzubringen. Besonders bereichernd war dabei ihre enge Zusammenarbeit mit der bedauerlicherweise bereits verstorbenen Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Renee A. Meyers an der University of Wisconsin-Milwaukee. Ihre herausragende Doktorarbeit zum Thema „Why Trust Matters: Longitudinal Effects of Multifoci Trust in Organizations“ wurde im Jahr 2013 mit dem zweiten Platz des Dissertationspreises der Fachgruppe Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie geehrt. Nach der Promotion war Nale Lehmann-Willenbrock von 2012 bis 2017 an der Vrije Universiteit Amsterdam Assistant Professor. Von 2017 bis 2018 war sie Associate Professor an der University of Amsterdam. 2017 erhielt sie Rufe an die Universität Hamburg und an die Universität zu Köln und folgte 2018 dem Ruf an den Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Hamburg. Ihre internationalen Beziehungen pflegend – auch als erste europäische Associate Editor für das Journal of Business and Psychology – untersucht sie in ihrer aktuellen Forschung unter anderem Gruppendynamiken in Teams während Meetings. Interaktionen in Meetings analysieren Meetings prägen den Arbeitsalltag in der Wissensgesellschaft. Interaktionsmuster in Meetings – sei es virtuell oder in Präsenz – beeinflussen den Meetingerfolg maßgeblich. Mithilfe der Interaktionsprozessanalyse untersucht Professorin Lehmann-Willenbrock Meetings virtuell wie in Präsenz. Bei dieser Methode werden Meetinginteraktionen direkt beobachtet und analysiert, um systematische Verhaltensmuster zu quantifizieren. Dadurch können Fragen wie „Wie wird Führung wirksam?“ oder „Wie interagieren erfolgreiche Teams?“ beantwortet werden. Dies ist mit der bislang in der Organisationspsychologie weitverbreiteten Fragebogenforschung, bei der berichtete Eindrücke analysiert werden, nicht möglich. Laut Nale Lehmann-Willenbrock sind „Meetings wie ein Vergrößerungsglas, um organisationale Phänomene sichtbar zu machen und auf der Verhaltensebene zu begreifen“. Lösungsorientierte Meetingleitung triggere positives Verhalten der Teammitglieder und hemme negatives Verhalten wie z. B. Jammern. Auf der Teamebene seien positive Interaktionsmuster wie Humor oder Optimismus und Veränderungsinteresse ansteckend. „Teams, die solche Aufwärtsspiralen in ihren Meetings entwickeln, zeigen auch langfristig eine höhere Teamleistung.“ Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI) bei der Erkennung und Analyse menschlicher Verhaltensmuster spielt eine immer größere Rolle. Hierfür tritt Lehmann-Willenbrock in den interdisziplinären Austausch mit Wissenschaftlern aus den Bereichen Informatik und Informationstechnologie. Dabei lernt sie neue Methoden der Datenanalyse kennen und exploriert aktuell auch Meetings im Metaversum. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an der Technischen Universität Delft (Niederlande) hat sie erforscht, wie Kohäsion in Meetings anhand von Audiosignalen oder Bewegungsmustern des Teams automatisch vorhergesagt werden kann.
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