50 STATE OF THE ART_ JOB CRAFTING PERSONALquarterly 03 / 22 relle Aussage die umgekehrte Kausalität, dass also gerade engagierte und leistungsstarke Mitarbeiter wachstumsorientiertes Job Crafting vornehmen und leistungsschwache Mitarbeiter ihre Aufgaben eher vermeidungsorientiert anpassen möchten, besonders plausibel. Philipp W. Lichtenthaler und Andrea Fischbach (2018) untersuchen in ihrer Metaanalyse allerdings explizit auch Einzelstudien im Längsschnittdesign und können so – wenn auch mit geringerem Studien- und Datenumfang – Job-Crafting-Aktivitäten mit personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen zu einem späteren Zeitpunkt vergleichen. Die oben dargestellten Ergebnisse aus Querschnittsanalysen werden dabei bestätigt (Lichtenthaler/ Fischbach, 2018, S. 12). Dies ist kein Beweis, aber immerhin ein weiterer Hinweis auf den kausalen Einfluss von Job Crafting auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen. Welche Faktoren beeinflussen Job-Crafting-Aktivitäten? Bei der Suche nach den Einflussfaktoren, die Job Crafting fördern könnten, fällt der erste Blick auf die Persönlichkeit der Beschäftigten. Dies ist deshalb naheliegend, da es sich bei Job Crafting um individuell initiierte Aktivitäten handelt. Theoretisch lässt sich Job Crafting deshalb auch als eine Facette proaktiven Verhaltens interpretieren (Bakker/Tims, 2010). Bezüglich der Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften wirken Verträglichkeit (r=0,27), Gewissenhaftigkeit (r=0,20), Extraversion (r=0,22) und Offenheit (r=0,22) moderat positiv, für emotionale Stabilität ist kein signifikanter Effekt nachweisbar; stärker positiv korreliert sind – nicht überraschend – Proaktivität (r=0,54) und die generelle Selbstwirksamkeitserwartung (r=0,40) (Rudolph et al., 2017). Geschlecht (r=0,03), Alter (r=- 0,10) und Betriebszugehörigkeit (r=-0,11) haben hingegen nur einen geringen Einfluss (Rudolph et al., 2017, S. 124, 127). Neben der individuellen Persönlichkeit haben soziale Kontextfaktoren übergreifend einen mittleren positiven Einfluss auf Job Crafting (Wang et al., 2020). Hierunter fällt der Führungsstil, wobei dienende Führung (r=0,69) einen deutlich stärkeren Einfluss auf wachstumsorientierte Job-Crafting-Aktivitäten ausübt als transformationale Führung (r=0,27) oder ein auf Empowerment ausgerichteter Führungsstil (r=0,34). Ebenso zeigt sich ein positiver Einfluss der sozialen Unterstützung durch Kollegen (Wang et al., 2020, S. 11/12). Auch die Gestaltung der Arbeitsplätze im Sinne des Job Characteristics Model beeinflusst Job Crafting. So zeigt sich bspw. ein positiver Zusammenhang zwischen Autonomie und Job Crafting (r=0,28), wobei insbesondere die strukturelle Dimension positiv beeinflusst wird (r=0,46) (Rudolph et al., 2017). Können Unternehmen Job Crafting fördern? Die dargestellten Befunde zeigen zunächst die grundsätzliche Vorteilhaftigkeit von wachstumsorientierten Job-CraftingAktivitäten. Allerdings handelt es sich bei Job Crafting um Aktivitäten, die initial von den Beschäftigten ausgehen und definitionsgemäß ausgehen müssen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und wie Unternehmen diese individuellen Aktivitäten der Beschäftigten fördern können. In einer aktuellen Metastudie untersuchen Bogdan Teodor Oprea und Kollegen (2019) die Effektivität von unternehmensseitigen Interventionen z. B. in Form von Trainings, die von Unternehmen zur Förderung von individuellem Job Crafting initiiert werden. Ein solches Training umfasst bspw. eine Persönlichkeitsanalyse, eine Tätigkeitsanalyse und die Anleitung zur Gestaltung des Arbeitsplatzes im Sinne des Job Crafting (eine detailliertere Beschreibung einer Intervention findet sich z. B. in Van Wingerden et al., 2017, S. 167-168). Anschließend wird das Ausmaß von Job Crafting im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Training ermittelt. Das experimentelle Design erlaubt hier kausale Rückschlüsse auf die Effektivität der Intervention, wobei allerdings durch die befragungsbasierte Erhebung der Job-Crafting-Aktivität bei den Teilnehmenden Ergebnisverzerrungen durch Strahleffekte nicht ausgeschlossen werden können. Auf der Basis von 14 Einzelstudien ergibt sich ein signifikant positiver, wenn auch schwacher Effekt (Oprea et al., 2019). Zusammenfassung und praktische Implikationen 3 Job Crafting wirkt positiv auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen und sollte von Unternehmen gefördert werden. 3 Allerdings führen nur wachstumsorientierte Aktivitäten zu positiven Effekten, Anpassungsstrategien die primär auf die Vermeidung unangenehmer Situationen zielen, sind nicht vorteilhaft. 3 Das Ausmaß, in dem Job Crafting stattfindet, ist wesentlich durch die jeweilige Persönlichkeit der Beschäftigten bestimmt. 3 Unternehmen können Job Crafting durch spezifische Trainingsmaßnahmen fördern.
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