48 STATE OF THE ART_ JOB CRAFTING PERSONALquarterly 03 / 22 Im Topmanagement erscheint es uns selbstverständlich, dass die jeweiligen Führungskräfte nicht ein vorgefasstes Stellenprofil ausfüllen, sondern der Organisation „ihren Stempel aufdrücken“, das heißt, die Aufgabe interpretieren, Beziehungen gestalten sowie individuelle Schwerpunkte und Akzente setzen. Für ausführende Tätigkeiten gilt dies zumindest traditionell nicht gleichermaßen. Vielmehr geht die klassische Organisationslehre davon aus, dass zunächst Arbeitsplätze als Aufgabenbündel beschrieben werden und sich die Stelleninhaber in dem klar vordefinierten Rahmen zu bewegen haben. Allerdings stellt sich in der durch Digitalisierung, Beschleunigung und Agilität geprägten neuen Arbeitswelt die Frage, inwieweit diese traditionelle Sichtweise noch angemessen ist. Job Crafting, das heißt die aktive Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung durch die Beschäftigten selbst, liefert hier eine neue mögliche Antwort. Job Crafting ist zwar ein vergleichsweise junges Konzept innerhalb der Personalwirtschaft. Dennoch liegen bereits viele Untersuchungen dazu vor, die in mehreren quantitativen Metastudien bzw. qualitativen Reviews zusammengefasst sind (Rudolph et al., 2017; Park/Park, 2021; Oprea et al., 2019; Lichtenthaler/Fischbach, 2018), auf die sich die folgende Darstellung wesentlich bezieht. Im Fokus stehen dabei folgende Fragen: Wirkt Job Crafting positiv auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen? Über diesen aggregierten Effekt hinaus soll die Frage beantwortet werden, ob bestimmte Formen von Job Crafting Erfolg versprechender sind als andere. Insgesamt zeigt sich ein positiver Effekt, sodass sich die Folgefrage anschließt, welche Faktoren das Ausmaß an Job Crafting beeinflussen und was Unternehmen aktiv tun können. Beginnen wollen wir mit einer kurzen Beschreibung des Konzepts. Job Crafting: Verständnis, Formen und Messung In der klassischen Organisationslehre sind einzelne Arbeitsplätze die kleinsten zu gestaltende Einheiten innerhalb einer Organisation. Im Analyse-Synthese-Konzept nach Kosiol (1976) wird zunächst das vollständige Leistungsprogramm einer Organisation in Teilaufgaben zerlegt und anschließend nach festgelegten Kriterien zu sinnvollen Aufgabenbündeln zusammengefasst. Dabei entstehen zunächst ArbeitsplätVon Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Prof Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz) Job Crafting: Wenn Beschäftigte ihre Aufgaben selbst gestalten ze, anschließend Gruppen, Abteilungen und Bereiche, die in der Aufbau- und Ablauforganisation systematisiert werden. Verantwortlich für diese Arbeitsstrukturierung ist die Unternehmensleitung, größere Unternehmen bedienen sich einer eigenen Organisationsabteilung. Job Crafting folgt hingegen einem Bottom-up-Ansatz und lässt den Beschäftigten Spielräume bei der Ausgestaltung der Arbeitsinhalte sowie der sozialen Gestaltung und kognitiven Interpretation der eigenen Arbeit. Das Konzept ist vergleichsweise neu und wird in der Regel auf eine circa 20 Jahre alte Veröffentlichung von Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton zurückgeführt: „We define job crafting as the physical and cognitive changes individuals make in the task or relational boundaries of their work (Wrzesniewski/Dutton, 2001, S. 179). Somit geht es nicht nur um die formalen Arbeitsinhalte, sondern auch um die Gestaltung der (sozialen) Beziehungen und die individuelle kognitive Auseinandersetzung mit der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis Rudolph et al. (2017, S. 126), dargestellt ist die korrigierte Korrelation 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 Abb. 1: Einfluss von Job Crafting (aggregiert) auf Erfolgsgrößen Arbeitsleistung (Selbsteinschätzung) Arbeitsleistung (Fremdeinschätzung) Engagement Arbeitszufriedenheit Kündigungsneigung 0,27 0,18 0,45 0,29 nicht signifikant
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