PERSONALquarterly 03 / 22 30 SCHWERPUNKT_HR-KOMMUNIKATION Bspw. waren chinesische Teilnehmer, deren Kultur durch eine größere Machtdistanz gekennzeichnet ist, eher bereit, die politische Entscheidungsfindung zu akzeptieren. Deutsche, die eine höhere Unsicherheitsvermeidung aufweisen, beriefen sich häufiger auf Gesetze und Vorschriften. Spannungsfelder bei der KI-gestützten Nutzung von Daten Wir identifizierten fünf bedeutende Spannungsfelder, die bei der Nutzung von KI-Tools im Zusammenhang mit aufgezeichneten Meetings entstehen. Mitarbeiter und Führungskräfte unterscheiden sich entlang dieser fünf Dilemmata. Mit einem Verständnis für diese Spannungsfelder entsteht ein Rahmen, innerhalb dessen die Stakeholder in Unternehmen Normen und Richtlinien aushandeln und entwickeln können. Im Folgenden stellen wir die fünf wichtigsten Spannungsfelder dar, die sich in der Analyse herauskristallisiert haben: 1. Kontrolle der Daten durch die Mitarbeiter versus Kontrolle der Daten durch das Management: Führungskräfte und Mitarbeiter erklärten übereinstimmend, dass es Opt-in-Mechanismen geben sollte, um den Mitarbeitern eine gewisse Kontrolle über ihre Daten zu geben. In der Praxis beinhalten diese Opt-in-Mechanismen z. B. direkte Aufforderungen zur Aufzeichnung von Meetings und Pop-up-Fenster. Mehr Unterschiede gab es bei der Frage, ob die Mitarbeiter kontrollieren können, wie die Daten nach der Aufzeichnung eines Meetings weitergegeben und verwendet werden können und ob dies anonymisiert geschehen muss. Dafür müsse es klare Richtlinien und Rahmenbedingungen innerhalb der Organisationen oder vom Gesetzgeber geben. Keinen Konsens gab es dazu, in welchem Umfang die Mitarbeiter einbezogen werden sollten. Präferenzen reichen von der Kontrolle durch die Unternehmensführung bis hin zu einer starken Beteiligung der Arbeitnehmer in Form von funktions- und hierarchieübergreifenden Arbeitsgruppen bzw. dem Betriebsrat. Einige schlugen vor, dass Ethiker einbezogen werden sollten. 2. Privatsphäre versus Transparenz: Einige befragte Führungskräfte und Mitarbeiter waren der Meinung, dass der Einsatz von KI zur Analyse von Meetingaufzeichnungen eine inakzeptable Verletzung der Privatsphäre und vollständige Überwachung sei. Doch andere waren bereit, Privatsphäre zugunsten von Transparenz aufzugeben, solange dies Vorteile für die Mitarbeiter mit sich bringe. Transparenz gehört für manche zur Unternehmenskultur. Dazu gehört einerseits, dass Unternehmensleitung und Personalabteilung transparent machen, wie KI zur Analyse von Mitarbeiterdaten genutzt wird. Andererseits müssen Mitarbeiter ihr Wissen transparent teilen und ihre Handlungen offenlegen. 3. Reduzierte psychologische Sicherheit versus erhöhte psychologische Sicherheit: Die Befragten waren sich uneinig, ob KI-Tools die zwischenmenschliche Interaktion amArbeitsplatz verbesDie halbstrukturierten Interviews wurden anhand eines Leitfadens geführt, der Erfahrungen mit der Aufzeichnung von Meetings/mit KI-Tools zur Auswertung von Meetingdaten sowie normative Einschätzung zur Aufzeichnung von Daten und KI-gestützten Auswertung umfasste. Alle Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Die Interviews wurden in Anlehnung an den GroundedTheory-Ansatz ausgewertet. In mehreren Iterationen wurde jedes Interview von mindestens zwei Forschern unabhängig voneinander kodiert. Nach jeder Iteration wurden Codes und deren Beschreibungen vorgeschlagen und diskutiert. Nach drei Runden unabhängigen Kodierens (Interrater Reliability >95%) wurden die Themenbereiche (die wir als Spannungsfelder definieren) festgelegt. Nationalkulturelle Unterschiede in der Akzeptanz und Anwendung der KI-Tools Auch wenn das Ziel war, kulturübergreifende Spannungen zu identifizieren, haben wir in unserer Stichprobe nationale Unterschiede festgestellt. So hatten z. B. die amerikanischen Teilnehmer die meiste Erfahrung mit aufgezeichneten Meetings und People Analytics Tools. Die Bandbreite reichte von regelmäßiger Aufzeichnung von Besprechungen bis hin zur Aufzeichnung aller Besprechungen, wobei im Durchschnitt etwa 25 % bis 30 % der Besprechungen aufgezeichnet wurden. Viele amerikanische Teilnehmer haben bereits mit Transkriptionstechnologien, virtuellenMeetingassistenten und KI-gesteuerten Coachingtechnologien experimentiert. Chinesische und deutsche Teilnehmer zeichneten weit weniger Meetings auf und hatten weniger Erfahrung mit neuen KI-Tools für aufgezeichnete Meetings. Innerhalb jeder Kultur gab es ein breites Spektrum an Meinungen, wobei die amerikanischen Befragten mehr Interesse und Optimismus gegenüber diesen Tools zeigten. Dies könnte z. T. auf den Reifegrad der Technologien zurückzuführen sein, die häufig hauptsächlich in englischer Sprache vorliegen. Außerdem gibt es erhebliche Unterschiede in der Art und Weise, wie der Datenschutz geregelt ist. Deutschland folgt den EU-Richtlinien der General Data Protection Regulation (GDPR), zu deutsch DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Fast alle Teilnehmer in Deutschland erwähnten die DSGVO in ihren Interviews. Die Teilnehmer in China und den USA wussten seltener, was die einschlägigen Gesetze oder Vorschriften waren, und gaben häufig an, dass sie noch entwickelt werden müssten. Auch sind die Normen für aufgezeichnete Meetings unterschiedlich. So gewöhnten sich viele deutsche und chinesische Teilnehmer erst seit der Coronapandemie daran, dass sie ihre Kameras in Onlinemeetings anschalten, während das in den USA schon länger etabliert ist. Schließlich können die zugrunde liegenden kulturellen Unterschiede in Bezug auf Normen und Werte, wie Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung, einen gewissen Einfluss haben.
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