Personal Quarterly 3/2022

29 03 / 22 PERSONALquarterly sich fünf Spannungsfelder im Umgang mit Mitarbeiterdaten ab, die sich zu zwei Dimensionen verdichten lassen (Kontrolle und Sicherheit). Daraus lassen sich schließlich unterschiedliche Handlungsansätze zum Umgang mit Mitarbeiterdaten und deren algorithmischer Auswertung ableiten. Datenschutz, psychologische Sicherheit und Kontrolle in KI-vermittelten Umgebungen Technologische Fortschritte schaffen stetig neue Dilemmata in Bezug auf die Privatsphäre. Arbeitnehmer treffen KostenNutzen-Abwägungen darüber, ob sie Informationen preisgeben. Außerdem haben Mitarbeiter eigene implizite oder explizite Grenzen ihrer Privatsphäre. Wenn eine Partei diese Regeln bricht, kommt es zu Grenzverletzungen. Grenzverletzungen entstehen aus verschiedenen Gründen, darunter Unklarheit und Meinungsverschiedenheiten über Dateneigentum und über Regeln für die gemeinsame Nutzung von Daten. Mit der Verbreitung künstlicher Intelligenz in der Arbeitsumgebung nehmen diese Grenzverletzungen zu, da algorithmische Tools mehr Datennutzung erfordern als frühere Technologien. Bei KI-Anwendungen in Gruppen- und Organisationsumgebungen ist psychologische Sicherheit – definiert als „gemeinsame Überzeugung der Mitglieder eines Teams, dass das Team ein sicherer Ort ist, interpersonale Risiken einzugehen“ (Edmondson, 1999) – ebenfalls von Bedeutung. Mitarbeiterdaten, und insbesondere aufgezeichnete Meetings, entstehen häufig in virtuellen Umgebungen, in denen psychologische Sicherheit ohnehin schwieriger aufzubauen ist. Wenn zudem bekannt ist, dass Daten aufgezeichnet und möglicherweise mithilfe von KI bewertet werden, könnten viele Mitarbeiter eher dazu neigen, ihre Kommunikation zu filtern. Andererseits können diese KITools die psychologische Sicherheit durch das Schaffen von Transparenz in bestimmten Situationen sogar erhöhen und die Aufzeichnung wird eher akzeptiert, wenn psychologische Sicherheit bereits vorhanden ist. Das Aufzeichnen von Onlinemeetings und anderen Interaktionen erhöht den Umfang der Kommunikation, auf den das Unternehmen Zugriff hat, drastisch. Dies wirft Fragen der Datennutzung, des Datenschutzes und der Privatsphäre auf, die sich grundlegend unterscheiden von denen der E-Mail- und anderen traditionellen Formen der Unternehmenskommunikation. Zusätzlich zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter in die Entwicklung von Richtlinien für die angemessene Nutzung algorithmischer Tools einbeziehen. Dies kann im Sinne eines Social-Contract-Ansatzes geschehen, bei dem Einzelpersonen und Gruppen in Organisationen implizite und explizite Vereinbarungen zur Datennutzung treffen. Es ist die Pflicht von Organisationen, mit ihren Mitarbeitern und anderen Stakeholdern Normen zum Schutz der Privatsphäre zu entwickeln. Der Social-Contract-Ansatz basiert auf der grundlegenden Sichtweise, dass Privatsphäre kontext- und beziehungsabhängig ist. Die Regeln für die Privatsphäre werden innerhalb von Gemeinschaften als mikrosoziale Verträge, die sich innerhalb makrosozialer Regelwerke (wie Gesetze) positionieren, ausgehandelt (Martin, 2016; Donaldson/Dunfee, 1994). Methodik der Untersuchung Unsere Studie basiert auf einer explorativen Untersuchung von 50 Führungskräften und Mitarbeitern verschiedener Branchen und konzentriert sich auf die Aufzeichnung und algorithmische Auswertung von Onlinemeetings als einen Teilbereich der KIgestützten Analyse von Mitarbeiterdaten. Die Befragten hatten zwischen 3 und 45 Jahren Berufserfahrung. 32 % der Befragten waren weiblich, 68 % männlich. Alle hatten bereits KI-Tools zur Kommunikation und Zusammenarbeit genutzt, u. a. intelligente Kollaborationstools (z. B. Voicera, später übernommen von Webex), Software zur Bewertung von Präsentationen (z. B. MS Coach, Pitch Perfect, Bongo), HR-Chatbots oder Software für automatisierte Vorstellungsgespräche (z. B. Hire Vue). Wir haben uns für die Befragung in den USA, China und Deutschland entschieden. Diese Länder repräsentieren die größten Volkswirtschaften in Nordamerika, Asien und Europa. Hauptziel der Befragung war es, Spannungen zu identifizieren, die kulturübergreifend auftreten. Dieser Ansatz kann zu Beobachtungen und Rahmenvorgaben führen, die für Organisationen in jedem dieser Länder relevant sind. Vor allem können wir so die Grundlage für einen kulturübergreifend sinnvollen Social Contract legen, der in globalen Organisationen, die Tochtergesellschaften und Mitarbeiter in vielen nationalen Kulturen umfassen, Anwendung findet. ABSTRACT Forschungsfrage: Wie sollten Mitarbeiterdaten verwendet und nicht verwendet werden? Wie sollten algorithmische Tools auf Daten aus der Mitarbeiterkommunikation angewendet werden dürfen? Methodik: Qualitative Interviews mit 50 Mitarbeitern und Führungskräften aus verschiedenen Branchen in Deutschland, China und den USA Praktische Implikationen: Unternehmen sollten Normen und Richtlinien zur Nutzung von Daten mit Mitarbeitern diskutieren und aushandeln (im Sinne eines Social-Contract-Ansatzes), um die Bedürfnisse von Mitarbeitern zu schützen und ihre Zustimmung zu erhalten.

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