Personal Quarterly 3/2022

PERSONALquarterly 03 / 22 16 SCHWERPUNKT_HR-KOMMUNIKATION Die Art und Weise, wie das Thema mentale Gesundheit in einem Unternehmen behandelt wird, ist im besten Falle wortwörtlich „vielsagend“. Unternehmen, in denen es still wird, wenn im Teammeeting auffällt, dass ein Kollege erneut alkoholisiert wirkt, oder in denen die verlängerte Abwesenheit eines Teammitglieds totgeschwiegen wird, konnten bislang keinen konstruktiven Umgang mit den zur Realität dazugehörenden Lebenskrisen etablieren. Die Mehrzahl der heutigen Unternehmen hat die Normalisierung von und einen professionellen Umgang mit mentalen Krankheiten jedoch erlernt. Dies bedeutet nicht, dass Gespräche, die hinter vorgehaltener Hand stattfinden, grundsätzlich der Vergangenheit angehören. Den meisten Personalverantwortlichen ist jedoch bewusst, dass Alkoholismus keine Charakterschwäche, sondern eine Suchtkrankheit ist, und eine klinische Depression sich nicht mit einem wohlwollenden Schulterklopfen erledigt. Die Pathogenese beschäftigt sich mit der Frage, wie mit Fragilität und der Bekämpfung von Krankheit umgegangen wird. Auch im Unternehmenskontext ist die aktive Auseinandersetzung mit herausfordernden und bedrückenden Themen elementar für einen vertrauensvollen Umgang miteinander. Dies ist jedoch keinesfalls gleichzusetzen mit dem Ausschöpfen der Ressourcen, die sich hinter der klaren Kommunikation von Salutogenese bzw. Wellbeing-Themen verbergen. Der Salutogenese-Ansatz geht über die Wiederherstellung oder den Erhalt von Gesundheit klar hinaus. Er setzt sich die Ausschöpfung von menschlichem Potenzial zum Ziel. Wir zeigen in diesemArtikel mögliche Wege auf, wie mithilfe von Kommunikation ein Wellbeing-Mindset in Unternehmen verankert werden kann, welches mehr Potenzial der Mitarbeitenden freisetzt. Der englische Begriff „Flourishing“ beschreibt die Art von Kompetenzentfaltung, die u. a. durch den Aufbau und die Abrufbarkeit von hohem psychologischem Kapital zustande kommt. Psychologisches Kapital setzt sich zusammen aus Optimismus, Hoffnung, Selbstwirksamkeit und Resilienz (Luthans/ Youssef-Morgan, 2017). Diese Sprungfedern der menschlichen Psyche ermöglichen den Erhalt von Leistungsfähigkeit trotz Komplexität und Ambiguität und vergrößern das individuelle Kommunikation als Katalysator für mehr Wellbeing at Work Von Christin Mey und Prof. Dr. Kerstin Alfes (ESCP Business School) Handlungsspektrum um die Möglichkeit, gestärkt aus schwierigen privaten oder beruflichen Situationen hervorzugehen. Entscheidend im Kontext von Personalentwicklung ist, dass sich die vier genannten Charakteristika aktiv weiterentwickeln lassen (Rose, 2019). Unternehmen, die sich strategisch für Wellbeing-Themen einsetzen, dies kommunizieren und sich so klar positionieren, können darüber hinaus von einer Stärkung der eigenen Widerstandsfähigkeit profitieren. Forschungsergebnisse zeigen, dass ein hohes psychologisches Kapital der Belegschaft zu einer Senkung von Krankheitstagen, gesteigerter Loyalität gegenüber demUnternehmen und entsprechender Reduzierung von Mitarbeitendenfluktuation führt (Luthans/ Youssef-Morgan, 2017; Avey et al., 2006). Die Investition in das kollektive psychologische Kapital innerhalb eines Unternehmens, welches sich Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von seinen Mitarbeitenden wünscht, erscheint logisch, die Umsetzung vielleicht jedoch ein wenig abstrakt. Im Folgenden möchten wir aufzeigen, wie eines der gängigsten Wellbeing-Modelle („PERMA“) das psychologische Kapital der Mitarbeitenden stärken kann. Wir schlagen dabei gleichzeitig geeignete Kommunikationsmaßnahmen vor, die es Unternehmen ermöglichen, gezielt die einzelnen PERMAFaktoren zu implementieren. Das Zusammenspiel zwischen Wellbeing-Faktoren und Kommunikation Mithilfe einer Literaturrecherche von 1.330 Quellen wurden zehn Faktoren ermittelt, die Wellbeing am Arbeitsplatz steigern. Diese Faktoren wurden anhand des PERMA-Models eingeordnet. PERMA steht für Positive Affect (P), Engagement (E), Relationships (R), Meaning (M) und Accomplishment (A). Alle fünf Dimensionen des Modells sind sowohl messbar als auch gezielt beeinflussbar (Seligman, 2011). AlsWeg zur möglichen Integration eines Salutogenese-Ansatzes in den Unternehmensalltag wird Kommunikation als Katalysator verstanden. Die Personalforschung hat dabei in den letzten Jahren aufgezeigt, dass die Einstellungen und Verhaltensweisen von Mitarbeitenden am effektivsten beeinflusst werden können, wenn Maßnahmen erkennbar besonders sind, hierüber konsistent informiert wird,

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