7 02 / 22 PERSONALquarterly logien, die aus großen Datenmengen lernen, stark verändern. Aber Substitution ist nur eine Seite der Medaille. Es wird auch neue Produkte geben und neue Dienstleistungen. Mit steigender Produktivität werden Preise sinken und Märkte wachsen. Entstehendes Einkommen wird auch wieder eingesetzt, und zwar nicht nur für Technologie, sondern z. B. auch in soziale Dienstleistungen. All das muss man simultan betrachten. Laut unseren Studien wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Es geht also nicht darum, eine Wirtschaft zu organisieren, in der Erwerbsarbeit nicht mehr zur Einkommensverteilung taugt, sondern es geht darum, den Umbruch zu bewältigen. Die Qualifikationsanforderungen werden insgesamt wachsen. Offensichtlich wird es Anforderungen im Bereich IT und grüne Technologien geben. Aber auch allgemeinere Kompetenzen wie Kommunikation oder Abstraktionsfähigkeit werden stärker gefragt sein. Für den Umbruch brauchen wir neue Instrumente. Eine umfassende Finanzierung von Zweitausbildungen etwa. Einen Schub für die berufliche Bildung durch ein Digitalisierungsprogramm für die Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen. Ein Konzept für Weiterbildung während Kurzarbeit, das auch in ungeplanten Situationen unter Unsicherheit und Organisationsschwierigkeiten umsetzbar ist. Und wir brauchen eine Weiterbildungspolitik, die direkt an die Erstausbildung anschließt und mit dieser integriert wird. Man erhielte also ein Ausbildungszertifikat, aber das wäre kein „Abschluss“, sondern der Anfang, der Grundstein für eine Weiterentwicklung. Es gäbe einen fortlaufenden Kompetenzrahmen, der nach der Erstausbildung weitere Schritte und Entwicklungsmöglichkeiten beinhaltet. Das könnte auch entsprechend zertifiziert werden. Bildungsinstitutionen wie Hoch- und Berufsschulen könnten in diesem Markt neben den klassischen Weiterbildungsträgern eine wichtigere Rolle spielen. Wenn wir Weiterbildung als Bildung auf Augenhöhe mit der Erstausbildung sehen, gibt es da ganz neue Geschäftsmodelle. PERSONALquarterly: Was sind die Aufgaben der Personalverantwortlichen in Unternehmen im Transformationsprozess? Welche Fehler sollten sie nicht begehen? Enzo Weber: Umbruch darf nicht nur bedeuten, Probleme zu beseitigen, sondern Chancen zu ergreifen. Weiterbildungspolitik ist häufig reaktiv. Sie tritt auf den Plan, wenn es Defizite gibt. Das reicht nicht, denn dann ist es oft schon zu spät. Und man kann den Wettbewerb um die besten Geschäftsmodelle auch nicht gewinnen, wenn alle sich immer nur gerade so hinten am Wagen festhalten. Jemand muss auch vorangehen und vorne ziehen. Deshalb muss Weiterbildungspolitik proaktiv und kontinuierlich sein. Man muss den Mut haben, mit Qualifizierung nicht nur offensichtliche Lücken zu füllen, PROF. DR. ENZO WEBER Forschungsbereichsleiter Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen (MAKRO) E-Mail: Enzo.Weber@iab.de Prof. Dr. Enzo Weber ist Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“ am IAB und Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, Mitglied des Sonderforschungsbereichs 649 „Ökonomisches Risiko“ der Humboldt-Universität zu Berlin, Gastforscher am Japan Center for Economic Research, Postdoc an der Universität Mannheim, Juniorprofessor an der Universität Regensburg und Forschungsprofessor am IAB. Weber ist Arbeitsmarktforscher, Makroökonom, Prognostiker und Ökonometriker. Zu seinen Themen gehören gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarktentwicklung und Konjunktur, technologischer Wandel und wirtschaftliche Transformation, Arbeitsmarktreformen und -politik, Wirtschaftskrisen, demografischer Wandel und soziale Sicherung. Er berät nationale und internationale Regierungen, Parlamente, Institutionen, Parteien und Verbände und entwickelt Politikvorschläge für arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Herausforderungen. Weber gehört hochrangigen Beratungsgremien an.
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