PersonalQuarterly 2/2022

62 STATE OF THE ART_RESILIENZ PERSONALquarterly 02 / 22 In nahezu allen Branchen nehmen Komplexität und Veränderungen durch Um- bzw. Neustrukturierungen oder unvorhergesehene Ereignisse seit geraumer Zeit zu. Diese Entwicklungen, die von Führungskräften und Mitarbeitenden ein hohes Maß an Flexibilität und Stressresistenz fordern, werden zudem durch die jüngsten Erfahrungen während der Coronakrise verschärft, die aktuellen Studien zufolge bei sehr vielen Menschen zu einem starken Anstieg der Arbeitsbelastung geführt hat, etwa durch Zunahme der digitalen Kommunikation, durch Verlagerung des Arbeitsplatzes ins Homeoffice oder durch die Notwendigkeit zur Durchsetzung bzw. Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen (z. B. EY Jobstudie, 2021; DGB Report, 2021). Warum aber können manche Unternehmen besser mit strategischen Umbrüchen und Übergangsphasen umgehen als andere? Und wie kommt es, dass es manchen Menschen besser gelingt, schwierige Situationen zu meistern, als anderen, einige in den Burn-out schlittern, andere jedoch nichts aus der Bahn zu werfen scheint? Im Kontext dieses Problemfelds wird derzeit der Begriff der „Resilienz“, also der Widerstandsfähigkeit von Einzelpersonen, Kollektiven oder ganzen Systemen hoch gehandelt, der nach Ansicht von Expertinnen und Experten das Potenzial dazu hat, zu einem Schlüsselwort des 21. Jahrhunderts zu werden. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns in diesem Beitrag mit der wissenschaftlichen Evidenz zur Effektivität von Resilienztrainings am Arbeitsplatz auseinander. Gestützt auf die Metaanalyse von Adam J. Vanhove et al. (2016) gehen wir auf Befunde zur generellen Wirksamkeit dieser Trainings ein und betrachten außerdem differenzierter, wie sie sich auf unterschiedliche Zielgrößen sowie im Zeitablauf auswirken. Des Weiteren beschäftigen wir uns mit Gestaltungsmerkmalen effektiver Resilienztrainings am Arbeitsplatz, wobei wir uns aufgrund der Studienlage vor allem auf den qualitativen Review von Ivan T. Robertson und Kollegen (2015) sowie die aktuelle Literaturübersicht von Scheuch u. a. (2021) beziehen. Zu Beginn werden wir zunächst Definition und Merkmale von Resilienz näher beleuchten. Hier legen wir den Fokus insbesondere auf das arbeitspsychologisch fundierte Verständnis von Resilienz als dynamische Adaption an UmweltbedinVon Prof. Dr. Carmela Aprea und Max Simon Lohner (Universität Mannheim) Resilienzförderung am Arbeitsplatz: Was bringen Trainingsprogramme? gungen, da dieses Verständnis die Basis für die Einordnung und Bewertung der Trainingsprogramme bildet. Resilienz als dynamischer Anpassungs- und Lernprozess Der Begriff „Resilienz“ leitet sich vom lateinischen Wort „resilire“ (zurückspringen, abprallen) ab und stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde. Hier beschreibt er die Eigenschaft von Materialien, elastisch und flexibel auf äußere Einwirkungen zu reagieren und dabei ihre ursprüngliche Form zu bewahren bzw. wieder herzustellen (z. B. ein Gummiball, der beim Aufprall auf den Boden eine Delle bekommt, dann aber wieder seine runde Form annimmt). In Anlehnung an dieses Konzept versteht man in der Psychologie unter Resilienz die „seelische Widerstandskraft“, das heißt die Fähigkeit von Menschen, ihre psychische Gesundheit auch angesichts widriger Lebensumstände oder schwieriger Situationen aufrechtzuerhalten bzw. sie nach einer Krise wieder zurückzugewinnen und an einer solchen Krise ggf. sogar zu wachsen (Stangl, 2022). Dabei nahm die Resilienzforschung ihren Ausgang in den 1950er Jahren und zwar mit der Untersuchung von Kindern, die sich trotz traumatischer Erfahrungen wie bspw. Naturkatastrophen, Krieg und Verwahrlosung zu psychisch gesunden Erwachsenen entwickelten. Ausgehend von diesen frühen Arbeiten wurde die Resilienzforschung in den vergangenen Jahrzehnten auf weitere Altersgruppen ausgeweitet. Auch wurden neben traumatischen Ereignissen zunehmend alltäglichere Erfahrungen von Belastung, Stress oder Frustration im Privat- und Arbeitsleben als Untersuchungsgegenstand in den Blick genommen. Während die älteren Arbeiten zudem noch davon ausgingen, dass Resilienz als ein Bündel stabiler und situationsübergreifender Persönlichkeitseigenschaften wie bspw. Beharrlichkeit oder Selbstkontrolle aufzufassen sei, betont die aktuelle Resilienzforschung deren Prozesscharakter und Kontextbezogenheit. Nach dieser Sichtweise, die vor allem in der Arbeits- und Organisationspsychologie vorherrscht (z. B. Bakker/Demerouti, 2017) und in Abbildung 1 grafisch dargestellt ist, bezeichnet Resilienz einen dynamischen Anpassungs- und Lernprozess, der sich im Wechselspiel der von einer Person wahrgenommenen Herausforderungen in einem bestimmten Lebens-

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