PersonalQuarterly 2/2022

6 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 02 / 22 PERSONALquarterly: Die Zeiten sind disruptiv. Viele sprechen von einer Transformation, die der der industriellen Revolution in Ausmaß und Bedeutung in nichts nachsteht. Welchen Blick haben Sie auf die Veränderungen? Welche transformationalen Herausforderungen sehen Sie in den kommenden Jahren? Enzo Weber: Heute sind drei große Trends in vollem Gange. Zuerst einmal ist das die Digitalisierung. Dabei geht es nicht mehr nur um Computer oder Internet, sondern um intelligente Vernetzung. Das bezeichnet „4.0“, also die vierte industrielle Revolution nach der Dampfkraft, der Massenfertigung und der Elektronik/IT. Genauso allumfassend ist der Trend der Ökologisierung und Dekarbonisierung geworden. Und drittens führt uns die Demografie in das Neuland einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft. Das alles verändert zeitgleich die Bedingungen und Technologien, mit denen eine Wirtschaft arbeiten muss. Dazu gehören ökologische Vorgaben, künstliche Intelligenz und der Aderlass bei den Arbeitskräften, da die in die Rente ausscheidenden Kohorten immer größer und die nachwachsenden Kohorten immer kleiner werden. PERSONALquarterly: Die Coronapandemie wird als Beschleuniger von vielen Trends angesehen. Wo stehen wir nun nach zwei Jahren? Enzo Weber: Corona ist eine transformative Rezession. Übrigens im Gegensatz zur der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009, damals hatten wir es mit einem gravierenden Einbruch der Exportnachfrage zu tun, aber danach ging es wieder weiter. Nehmen wir heute mal die E-Mobilität: Vor Corona stellte sich das Problem, die Kaufprämien überhaupt unter die Leute zu bringen. Als Prognose, bis wann es zu einem umfassenden Einsatz von E-Mobilität kommen könnte, wurden Jahreszahlen wie 2050 genannt. Da stehen heute ganz andere Zahlen im Raum. Auch die Digitalisierung hat einen Schub bekommen, der sonst kaum denkbar gewesen wäre. Wo es den größten Sprung gibt, bei Homeoffice oder virtuellen Veranstaltungen, geht es allerdings auch um Technologien, die vor 15 Jahren imGrunde schon so vorhanden waren. Die Coronapandemie hat nicht unbedingt alle Technologien revolutioniert, aber vieles ist durch den „Schock“ aus der Disruptive Zeiten – wie kann die Transformation gelingen? Das Interview mit Prof. Dr. Enzo Weber führte Prof. Dr. Simone Kauffeld gewohnten Bahn geraten. Dazu gehört auch der Schub, den wir beim Onlinehandel und den Lieferdiensten beobachten können. PERSONALquarterly: Was sind die zentralen Faktoren für eine erfolgreiche Transformation? Welche Handlungsfelder gibt es? Enzo Weber: Transformation kommt nicht von allein, man muss massiv investieren. Öffentlich in die digitale Infrastruktur, in die Mobilitätsinfrastruktur, privatwirtschaftlich in neue Technologien und Geschäftsmodelle. Und in Ausbildung und Qualifizierung, denn die demografische Schrumpfung lässt Wachstum nicht mehr über Masse, sondern nur noch über Klasse zu. Ein Schlüssel für die Transformation hierzulande wird sein, wie man die deutschen wirtschaftlichen Stärken – mittelständische Struktur, berufliche Bildung, sozialpartnerschaftliche Organisation – in die neue Zeit bringt. Vieles davon hat bisher gut funktioniert, und man soll Stärken nicht über Bord werfen, um Trends hinterherzulaufen. Aber man muss auch die nötige Weiterentwicklung angehen, damit Stärken auch unter neuen Bedingungen Stärken bleiben und keine Schwächen werden. Darauf zu schielen, in der Liga amerikanischer Techkonzerne spielen zu wollen, ist kein sinnvolles Ziel. Aber die gute Ausgangsposition etwa in den Bereichen Sensortechnik, Maschinen- und Anlagenbau und Automatisierungstechnik zu nutzen und mit KI- und Cloud-Technologien zu kombinieren, kann erfolgreiche Geschäftsmodelle generieren. PERSONALquarterly: Was bedeutet die Herausforderung der Digitalisierung für Arbeit und Qualifikation? Werden Arbeitsplätze substituiert? Wird uns die Arbeit ausgehen? Wie verändern sich Anforderungen? Wie sehen Sie kurz-, mittel- und langfristige Perspektiven? Enzo Weber: Es werden viele Tätigkeiten substituiert werden. Vor allem Routinetätigkeiten, die für digitale Technik gut nachvollziehbar sind. Aber es geht keineswegs nur mehr um niedrigqualifizierte Jobs. Gerade in der Mitte des Qualifikationsspektrums wird sich vieles ändern, bei den Facharbeitern etwa. Hier geht es oft um versierte Tätigkeiten, die viel Erfahrung benötigen. Deren Einsatz kann sich aber durch Techno-

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