PersonalQuarterly 2/2022

56 PERSONALquarterly 02 / 22 NEUE FORSCHUNG_HYBRIDE ARBEITSWELT der sog. „X-Theorie“ von Douglas McGregor (1960), wonach Menschen nur durch externen Einfluss und Supervision dazu gebracht werden können, ihrer Arbeit nachzugehen. Ohne einen solchen externen Einfluss, so die Annahme, seien Menschen grundsätzlich arbeitsscheu. Dass dies häufig nicht der Realität entspricht, zeigen verschiedene empirische Befunde der deutschsprachigen wie auch internationalen Fachliteratur, bspw. imBereich der prosozialenMotivation (z. B. Grant, 2007). Auch in Bezug auf das Homeoffice weisen verschiedene Studien darauf hin, dass Mitarbeitende in solchen Kontexten ähnlich produktiv, wenn nicht sogar produktiver sind (Kunze/Hampel/ Zimmermann, 2020; Rupietta/Beckmann, 2016). Ein weiterer, wenn auch oft vernachlässigter Aspekt der Homeoffice-Arbeit liegt in der Emotionswelt der Mitarbeitenden. So besteht bislang Unklarheit darüber, inwiefern die Arbeit im Homeoffice tatsächlich einen positiven oder negativen Beitrag zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden leistet. Für beide Perspektiven lassen sich überzeugende Argumente ableiten. So kann auf der „Pro“-Seite angeführt werden, dass durch das Homeoffice viele Stressoren des Arbeitslebens, wie bspw. tägliches Pendeln oder soziale Konflikte am Arbeitsplatz, entfallen. Auf der „Contra“- Seite wird beklagt, dass viele positive Aspekte der Arbeit im Büro, wie bspw. direkte soziale Kontakte, positive affektive Momente und kreative Austausche, verloren gehen (Bruch/ Hesse/Hölzl, 2021; Bruch/Meifert, 2020). Es besteht daher die Befürchtung, dass das Homeoffice eine Art Emotionsbremse darstellen könnte. Unsere empirischen Befunde (vgl. Abb. 1) weisen in der Tat darauf hin, dass während der Arbeit im Homeoffice die Sachebene der Arbeit, das heißt die Arbeitsproduktivität, keine problematische Dimension darstellt. In Abbildung 1 werden die Mittelwerte und Standardabweichungen des positiven und negativen Affekts sowie der Produktivität von Mitarbeitenden an Tagen, an denen diese im Homeoffice oder im Fall der Vergleichsgruppe entweder im Büro, beim Kunden oder mobil gearbeitet haben, aufgezeigt. Die oft geäußerte Annahme, dass Mitarbeitende im Homeoffice im Vergleich zu Mitarbeitenden in anderen Arbeitsumgebungen, bspw. im Büro, weniger produktiv arbeiten, konnte nicht bestätigt werden (p = n. s.). Vielmehr kristallisierten sich aus den empirischen Befunden Herausforderungen auf der sozialen und emotionalen Ebene heraus. Sowohl negativer (p ≤ 0.001) als auch positiver Affekt (p ≤ 0.05) trat bei der Arbeit im Homeoffice in einem signifikant reduzierten Maß auf (vgl. Abb. 1). Zwar ist eine Reduktion negativen Affekts der Mitarbeitenden während der Arbeit ein wünschenswertes Ergebnis, jedoch besteht durch die gleichzeitige Reduktion positiven Affekts die Gefahr, dass Homeoffice zu einer „Emotionsbremse“ wird, in welcher das emotionale Befinden und das Commitment der Mitarbeitenden zu ihren Unternehmen langfristig beeinträchtigt wird. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Theorie affektiver Momente (Weiss/Cropanzano, 1996) zu interpretieren, wonach positive Emotionen einer der wichtigsten Treiber für Zufriedenheit und Leistung sind. Die richtige Dosis Homeoffice? Neben den spezifischen Vor- und Nachteilen von HomeofficeArbeit stellt sich für die Zukunft der Arbeit die Frage, inwiefern und in welchem Umfang diese in jüngerer Zeit neu dosierte Arbeitsform effektiv genutzt werden kann. Viele in der einschlägigen Literatur auffindbaren Argumente zu dieser Frage basieren allerdings auf einer gewissen „Entweder-oder“-Logik bezüglich des Homeoffice. Das bedeutet, sie suggerieren häufig einen entweder positiven oder negativen linearen Zusammenhang zwischen Homeoffice und Engagement, Wohlbefinden und Gesundheit von Mitarbeitenden, gemäß dem Motto „je mehr, desto besser (oder schlechter)“. Die aktuellen Diskussionen für und wider die Arbeit im Homeoffice sowie die verschiedenen, teils widersprüchlichen Befunde empirischer Studien, weisen jedoch darauf hin, dass eine solche Denkweise nicht der Realität entspricht. Sie lassen vielmehr den Schluss zu, dass Homeoffice in einem gewissen Rahmen durchaus positive Effekte zeigt, ein Übermaß jedoch zu negativen Auswirkungen führen kann. In der Tat legen unsere empirischen Befunde nahe, dass sich durch Homeoffice sowohl positive als auch negative Aspekte ergeben, welche auf einen „Überdosis“- Effekt (Pierce/Aguinis, 2013) zurückzuführen sind. Zwar kann es zum einen zu Steigerungen der Produktivität durch höhere Flexibilität oder den Wegfall von Stressoren kommen (Bruch/ Hesse/Hölzl, 2021), gleichzeitig ist es jedoch denkbar, dass die zuvor erwähnten Auswirkungen auf die Emotionalität vomUmfang des Homeoffice abhängen. So ist anzunehmen, dass positiver Affekt bei der Arbeit mit dem Umfang des Homeoffice so stark zurückgeht, dass die gleichzeitige Reduktion negativen Affekts in Summe überlagert wird. Ebenso kann es durch ein erhöhtes Maß an Homeoffice, ohne die Ausweichmöglichkeit auf einen anderen Arbeitsort, wie bspw. das Büro, zu einer zunehmenden Entgrenzung von Beruflichem und Privatem kommen, wodurch es ab einem gewissen Grad zu einer Steigerung von emotionaler Erschöpfung und verminderter Erholung kommen könnte. UnsereErgebnisse, basierendauf quadratischenRegressionsanalysen mit robusten Schätzern, scheinen diese „Überdosis“- These zu stützen und zeigen deutlich, dass Homeoffice über einen gewissen Punkt hinaus als zusätzlicher Stressfaktor bei der Arbeit gesehen werden kann. Eine Inspektion der quadratischen Interaktionsterme (p ≤ 0.05 für alle Ergebnisse) ergab, dass im Durchschnitt zwei bis drei Tage Homeoffice pro Woche zu wünschenswerten Ergebnissen führten. Innerhalb dieses Umfangs stiegen die Arbeitszufriedenheit, das Arbeitsengagement und die Herzfrequenzvariabilität während des Schlafs (ein physiologischer Marker für körperliche Erholung) signi-

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