PersonalQuarterly 2/2022

54 PERSONALquarterly 02 / 22 NEUE FORSCHUNG_HYBRIDE ARBEITSWELT Das im Winter 2019 entdeckte Coronavirus SARSCoV-2 und dessen pandemische Verbreitung sorgten für einen fundamentalen Wandel in der Gesellschaft wie auch in der Arbeitswelt. Insbesondere das Arbeiten im Homeoffice gewann zum Teil schlagartig an Bedeutung und erreichte damit auch Unternehmen, die vorher stark auf Präsenz gesetzt hatten. Mit einer stärkeren Nutzung von Homeoffice ist für Mitarbeitende zum einen meist ein erhöhtes Maß an Freiheit und Flexibilität sowie der Wegfall verschiedener Arbeitsplatzstressoren, wie bspw. tägliches Pendeln oder die Arbeit in lärmbelasteten Großraumbüros, verbunden. Gleichzeitig zeigen empirische Befunde, dass es seit der abrupten Einführung dieser neuartigen Arbeitsweisen ebenso zu zunehmender Isolation und Erschöpfung bei Arbeitnehmenden kam (Bruch/Hesse/Hölzl, 2021; Kunze/Hampel/ Zimmermann, 2020). Diese Befunde lassen sich zum Teil sicherlich auf die allgemeine mit der Coronapandemie zusammenhängende Verunsicherung zurückführen. Außerdem war während der Pandemie die räumliche Flexibilität und die freie Arbeitsplatzwahl zum Teil stark beschränkt, sodass man auch von „Forced Homeoffice“ spricht. Jedoch wird auch deutlich, dass diese neuartigen Arbeitsbedingungen mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden einhergehen. In der Tat scheint sich die Erfahrung mit und die Wahrnehmung von Homeoffice im Verlauf der Coronapandemie mehrfach stark gewandelt zu haben. Während Arbeit imHomeoffice anfangs mit viel Skepsis betrachtet wurde, veränderte sich diese Sichtweise im Sommer 2020 und viele Kolumnisten und Führungskräfte sprachen euphorisch von einem nachhaltigen Umbruch in der Geschäftswelt und dem sog. „New Normal“. Während des zweiten und dritten Lockdowns über die Wintermonate 2020/2021 wurden hingegen zunehmend die emotionalen, sozialen und psychologischen Kosten von exzessivem Homeoffice evident (Fancourt/Steptoe/Bu, 2021). Viele Unternehmen stehen der Arbeit im Homeoffice zudem weiterhin skeptisch gegenüber, da sie einen Abfall der Produktivität ihrer Mitarbeitenden sowie eine gewisse „Laissez-Faire-Mentalität“ im Homeoffice befürchten. Nichtsdestotrotz kann davon ausgegangen werden, dass Homeoffice-Arbeit auch in Zukunft weiter an BeResilienz und Führung im Homeoffice: zwischen Produktivität und Wohlbefinden Von Ass. Prof. Dr. Nils Fürstenberg und Prof. Dr. Heike Bruch (Universität St. Gallen) deutung gewinnen wird. Die Erfahrungen und empirischen Erkenntnisse aus den vergangenen Monaten können also wie eine Blaupause für die künftige Gestaltung einer hybriden Arbeitswelt betrachtet werden. In der vorliegenden Studie greifen wir daher die aktuelle Debatte auf und stellen die Ergebnisse einer multimethodischen, international stratifizierten Untersuchung über die Auswirkungen des Homeoffice vor. Ziel der Untersuchung ist es, zur Beantwortung der folgenden Fragen beizutragen: Wie wirkt sich Arbeit aus dem Homeoffice auf die Produktivität und das emotionale Befinden der Mitarbeitenden aus? Wie viel sollten Mitarbeitende in einer neuen hybriden Arbeitswelt im Homeoffice versus in Präsenz arbeiten? Und: Was können Organisationen sowie Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeitenden in dieser neuen hybriden Arbeitsform bestmöglich zu unterstützen? Beschreibung der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung basiert auf einer multimethodischen, global stratifizierten Stichprobe von 118 Mitarbeitenden eines international tätigen Baumaschinenunternehmens. Es wurden Daten aus drei verschiedenen Quellen zusammengeführt: Zumeinenwurden den Teilnehmenden imRahmen einer „Experience-Sampling“-Methode über einen Zeitraum von fünf Arbeitstagen (Montag bis Freitag) tägliche Onlinekurzfragebögen jeweils gegen 17 Uhr Ortszeit zugesendet. An denselben fünf Arbeitstagen wurde mittels eines nichtinvasiven mobilen Herzfrequenzmessgeräts ganztags (jeweils 24 Stunden) die Herzfrequenzvariabilität erfasst. ImRahmen der vorliegenden Untersuchung wurde insbesondere die Herzfrequenzvariabilität während des Schlafs als objektives Maß für die Erholung nach dem Arbeitstag untersucht.1 Die Erfassung der Schlafzeiten erfolgte über durch die Teilnehmenden für den Zeitraum der Untersuchung geführte Aktivitätstagebücher. Als dritte Datenquelle diente ein allgemeiner Onlinefragebogen, mit welchem detailliertere Informationen zum Arbeitskontext und den Einstellungen der Teilnehmenden 1 Die Erfassung der Herzfrequenz erfolgte mithilfe des nichtinvasivem Firstbeat Bodyguard® 2 Herzfrequenzmonitors. Die Herzfrequenzvariabilität wurde über den natürlichen Logarithmus des quadratischen Mittelwerts der Differenzen aufeinanderfolgender Herzschlagintervalle [lnRMSSD] operationalisiert.

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