49 02 / 22 PERSONALquarterly Herkunft differenziert ist. Eine Erklärung für diese Arbeitsmoral der Migranten könnte darin liegen, dass sie das Fehlen anderer Produktivitätsindikatoren, wie Sprachkenntnisse oder staatlich anerkannte Bildungsabschlüsse, durch ihren signalisierten Arbeitseifer kompensieren. So könnten sie durch die gesteigerte Arbeitsmoral versuchen, sich besser zu integrieren und den sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg zu erreichen, der ihr Motiv für die Zuwanderung ist. Die Arbeitsmoral der einzelnen Migranten kann additiv wirken und die Gesamtproduktivität des Teams positiv beeinflussen. Darüber hinaus sollte auch die Teamdynamik berücksichtigt werden. Laut der Theorie der sozialen Kategorisierung (Tajfel/ Turner, 1986) neigt der Einzelne dazu, sich sozial zu identifizieren und Gruppen mit Personen zu bilden, die ähnliche Merkmale wie Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit/ Nationalität aufweisen. Daher ist zu erwarten, dass einheimische Arbeitnehmer die erste Untergruppe bilden. Als Reaktion auf die hervorstechende Outgroup bilden die zugewanderten Arbeitnehmer möglicherweise die zweite Untergruppe. Der Wettbewerb zwischen den beiden Gruppen führt zu einer gesteigerten Arbeitsleistung, da der Wettbewerb zwischen den Gruppen als Motivator für höhere Ziele und bessere Leistungen als der Outgroup fungiert. Aus diesen Gründen kann sich die Einbeziehung von Migranten in Teams in der Tat positiv auf die Produktivität des Teams auswirken. Allerdings dürfte es sich dabei nicht um eine lineare, sondern um eine kurvenförmige Beziehung handeln. Die vorgeschlagenen Mechanismen sind schwächer in Fällen, in denen Arbeitsgruppen einen so hohen Anteil an Migranten haben, dass sie keine Minderheit mehr sind. Wenn der Anteil der Zuwanderer in den Arbeitsgruppen gleich hoch ist wie der Anteil der Einheimischen, ändert sich das Verhältnis zwischen den Gruppen zu einem ausgewogeneren Verhältnis. Das hat zwar keine Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Gruppen der Minderheit und der Mehrheit, kann aber das individuelle Verhalten der Mitarbeiter mit Migrationshintergrund beeinflussen. Bei der Arbeit in einem Team, in dem mehrere Mitglieder die gleichen Probleme haben, wie z. B. sprachliche Defizite und fehlende Bildungsabschlüsse, fühlen sich die Einzelnen möglicherweise psychologisch sicherer und weniger unter Druck, sich durch das Aussenden zusätzlicher Produktivitätssignale zu beweisen. Infolgedessen kann die Teamproduktivität, die eine Funktion der Teamdynamik und der individuellen Motivation ist, ab einem bestimmten Prozentsatz von Teammitgliedern mit Migrationshintergrund abnehmen. Spielt das Herkunftsland eine Rolle? Während die Beziehung zwischen dem Anteil der Migranten in Teams und der Teamproduktivität möglicherweise kurvenförmig ist, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um ein universelles Phänomen handelt oder ob es nach der Herkunft der Migranten differenziert werden kann. Es ist zu vermuten, dass Teams mit Teammitgliedern aus weniger wohlhabenden Ländern aus verschiedenen Gründen die größten Auswirkungen auf die Produktivität haben. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Motivationen für das Produktivitätssignal je nach Herkunftsland: Ein Deutscher, der in die deutschsprachige Schweiz einwandert, hätte z. B. im Gegensatz zu einem syrischen Flüchtling keine sprachlichen oder kulturellen Barrieren zu überwinden. Unter den verschiedenen Kriterien, anhand derer Migranten kategorisiert werden können, kann das Einkommensniveau des Herkunftslands Unterschiede in der Produktivität der Migranten – einschließlich der Teams – erklären. Hierfür gibt es zwei Begründungen. Erstens kann das Einkommensniveau des Herkunftslands Aufschluss darüber geben, ob die Entscheidung zur Auswanderung vornehmlich wirtschaftliche Gründe hat, die sich stark auf die Motivation am Arbeitsplatz auswirken dürften. Einzelpersonen können sich aus einer Vielzahl von Push- (z. B. Krieg in ihrem Heimatland) oder Pull-Faktoren (z. B. hoher Lebensstandard im Aufnahmeland) für die Auswanderung entscheiden. Auch eine Kombination aus Push- und Pull-Faktoren ist zu beobachten, wie z. B. bei Wirtschaftsmigranten aus Ost- und Südeuropa nach der Finanzkrise 2009. Die Auswanderung aus wirtschaftlichen Gründen, z. B. um Arbeit zu finden, kann auch auf eine starke Motivation hinweisen, am Arbeitsplatz gute Leistungen zu erbringen; Forscher haben herausgefunden, dass Wirtschaftsmigranten sich durch Arbeitszentriertheit auszeichnen und allgemein Erfolg mit Beschäftigung verbinden (Luthra et al., 2016). ABSTRACT Forschungsfrage: Die zunehmende Zahl von Migranten verändert die Zusammensetzung von Belegschaften. Es ist nicht klar, wie sich dieser Wandel auf Teams und ihre Produktivität, besonders im Produktionskontext, auswirkt. Methodik: In einem großen Schweizer Unternehmen wurden Regressionsanalysen mit 10.777 Arbeiterinnen und Arbeitern in 629 Teams durchgeführt. Praktische Implikationen: Die Einstellung von Zuwanderern wirkt sich bis zu einem bestimmten Prozentsatz positiv auf die Produktivität der Teams aus. Ab einem bestimmten Prozentsatz von Migranten in Teams beginnt die Produktivität zu sinken.
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