40 PERSONALquarterly 02 / 22 SCHWERPUNKT_TRANSFORMATION Traditionelles hierarchisches Management geht davon aus, dass die Führung stets am besten weiß, was zu tun ist. Nach dieser Denkweise brauchen die Beschäftigten klare Anweisungen und müssen regelmäßig kontrolliert werden. Karriere und Erfolg bedeutet, in der Hierarchie aufzusteigen und an Macht zu gewinnen. Transformationsprozesse werden überwiegend Top-down angestoßen und zentral gesteuert. Doch solche hierarchischen Strukturen sind kaum in der Lage, mit vielschichtigen und dynamischen Veränderungen umzugehen. Agile Führung schafft hingegen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Transformationsprozesse durch selbstorganisierte Teams flexibel eingeleitet und dezentral gesteuert werden. Eine agile Führung hat dabei sowohl die Anpassungsfähigkeit als auch die innere Stabilität der Organisation zu gewährleisten. Werte und Prinzipien agiler Führung Agile Führung basiert auf der Überzeugung, dass sich die Beschäftigten stets nach besten Kräften für das Unternehmen einsetzen, und schafft die Voraussetzungen, damit diese ihre Fähigkeiten und Talente entfalten können. Dem halten Kritiker entgegen, dass sich nicht alle Menschen intrinsisch motivieren ließen. Exemplarisch wird dabei etwa auf das Personal am Fließband, im Einzelhandel oder auf Reinigungskräfte verwiesen. Doch solche Aussagen zeugen lediglich von einem negativen Menschenbild. Menschen sehnen sich danach, sich zu engagieren, wenn man sie lässt. Intrinsische Motivation ist nicht nur bei Akademikern oder kreativen Köpfen zu erreichen. Allerdings erfordert sie die richtigen Rahmenbedingungen, wie etwa Wertschätzung, sichere und angenehme Arbeitsbedingungen und soziale Bindungen. Sind diese Hygienefaktoren gewährleistet, dann lässt sich jeder Mensch bis zu einem gewissen Grad intrinsisch motivieren (vgl. Hofert, 2018, S. 30; Laloux, 2015, S. 53 ff.). Jede Motivation von außen ist deshalb nur dann langfristig wirksam, wenn sie zur Selbstmotivation führt. Hierzu müssen Kopf, Bauch und Hand zusammenpassen, sprich, die expliziten Ziele („Kopf“) stimmen mit den eigenen, häufig unbewussten Motiven des Mitarbeiters („Bauch“) überein und dieser Mitarbeiter verfügt über die erforderlichen Kompetenzen, ErDezentrale Transformation durch agile Führung Von Prof. Dr. Roman Stoi (DHBW Stuttgart) und Matthias Patz fahrungen und das Selbstvertrauen („Hand“), um sie zu verwirklichen (vgl. Kneip/Brüggemann, 2018, S. 59). Die agile Führung soll dazu regelmäßig neue Herausforderungen schaffen, das Know-how im Unternehmen vernetzen, die Beschäftigten wertschätzend unterstützen, Erfolgserlebnisse fördern und eine positive Fehlerkultur sicherstellen (vgl. Hüther, 2009, S. 30 f.). Belohnung und Bestrafung sind dagegen kleinkindliche Erziehungsmethoden, die im betrieblichen Umfeld nicht funktionieren. Extrinsische Anreize wie etwa Bonuszahlungen konditionieren die Beschäftigten darauf, nur noch monetär honorierte Ziele zu verfolgen. Dies provoziert dysfunktionales und manipulatives Verhalten, wie es etwa häufig bei der Budgetierung zu beobachten ist. Vermag eine Prämie anfangs noch zu motivieren, wird sie durch die Beschäftigten schnell als selbstverständlich angesehen. Um weiter leistungssteigernd zu wirken, muss sie folglich erhöht werden, bis auch dies irgendwann kaum noch Wirkung zeigt. Bleibt die Belohnung dagegen aus, dann wirkt dies äußerst demotivierend, da ein Verlust beim Menschen wesentlich stärkere Emotionen hervorruft als ein Gewinn (vgl. Roth/Herbst, 2020, S. 311 ff.). Betrachten die Beschäftigten die verfolgten Ziele nicht als sinnvoll, können daran langfristig auch Anreize nichts ändern. Sie werden dann ihr Wissen nicht einbringen und nur noch Dienst nach Vorschrift leisten. Komplexe Führungskontexte erfordern aber insbesondere eigenverantwortliches, flexibles und kreatives Denken und Handeln (vgl. Oestereich/Schröder, 2020, S. 18). Bspw. stehen beim US-amerikanischen Billigflieger Southwest Airlines nicht die Kunden, sondern das Personal an erster Stelle. Durch dieses „Employee-first“-Prinzip ist die Identifikation der Beschäftigten mit der „Southwest-Family“, egal ob es sich um Piloten, Flugbegleiter oder Bodenpersonal handelt, außerordentlich hoch. Dies spiegelt sich letztlich im herzlichen Umgang mit den Kunden als eine der Ursachen für den Erfolg des Unternehmens wider. „Our people are our single greatest strength and most enduring longterm competitive advantage“, so der CEO Gary Kelly (vgl. www.southwest.com). Agile Führung bedeutet einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt, welcher die Rollen und die Zusammenarbeit von
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