PERSONALquarterly 02 / 22 38 SCHWERPUNKT_TRANSFORMATION einträchtigt werden. Im Projekt konnte trotz hoher Auslastung des Betriebs und Restriktionen aufgrund von Corona-Auflagen in der virtuellen Produktionsumgebung an den Prozessen gearbeitet werden. Zudem können auch schwer reproduzierbare Arbeitssituationen erfahrbar gemacht werden (z. B. Entfernen oder Ersetzen von Maschinen, Einfügen neuer Technologien), ohne dass sich Mitarbeitende selbst in Gefahr bringen oder Risiken einer Beschädigung realer Anlagen bestehen. Dadurch können verschiedene Prozessszenarien in VR durchgespielt werden, um fundiert und realitätsgetreu Vor- und Nachteile des zukünftigen Prozesses abzuschätzen, auch im Hinblick auf ökonomische Gesichtspunkte (z. B. Zeiteinsparung durch verschlankte, nun digitale Kommunikations- und Abstimmungswege). Gleichzeitig haben Mitarbeitende durch den Einsatz von VR nicht nur die Möglichkeit, ihr Erfahrungswissen, ihre Bedürfnisse und Ideen zur digitalen Prozessneugestaltung aktiv mit einzubringen, sondern auch Erfahrungen im Umgang mit digitalen Technologien zu sammeln. Dies bietet ein Potenzial zur Ausbildung von Technologie-Akzeptanz imUnternehmen, sodass Einführungs- und Akzeptanzhürden reduziert werden können. Einführung und Arbeiten mit VR Im Projekt „SoDigital“ zeigt sich ein für die Personalarbeit großes Potenzial von VR in Bezug auf mitarbeiterorientierte Planungs- und Schulungskontexte. Dabei ist die Anschaffung der Hardware mit vergleichbar geringen Kosten verbunden. Neben der direkten Anschaffung bestehen zudem Einstiegsmöglichkeiten über Leihgeräte oder das Einmieten bei VR-Anbietern. Zu berücksichtigen ist, dass die Nachbildung der organisationalen Umgebung je nach Detail- und Genauigkeitsgrad einen hohen Aufwand mit sich bringen kann. Dies wird sich jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit durch Weiterentwicklungen im 3D-Scan deutlich vereinfachen. Zudem wurde deutlich, dass VR durch die spezielle Hardware aktuell immer noch Ortsgebundenheit an bestimmte Räume bedeutet. Zur Einbettung in Workshops sollte VR als Vertiefungselement gesehen werden. Im Projekt „SoDigital“ wurde je nach Erfahrung mit der Technologie in mehreren Etappen von ca. 20 bis 40 Minuten gearbeitet werden, um negative körperliche Reaktionen (Cybersickness) auf die ungewohnte Umgebung zu vermeiden. Es gilt ebenfalls zu bedenken, dass bei einigen Mitarbeitenden zunächst eine Skepsis hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten zur Bedienung der VR-Technologie bestehen kann. Da VR-Technologien jedoch intuitiv nutzbar sind, reduzieren sich Unsicherheiten zumeist schnell. Eine Einführungszeit in die VR-Technologie sollte dennoch in die zeitliche Planung von Workshops einfließen. Für die Arbeit mit der VR hat sich im Projekt ein Multi-UserAnsatz etabliert, bei dem jeweils zwei Mitarbeitende aus den KMU gemeinsam an der Prozessneugestaltung arbeiten. Dabei begibt sich eine Person ausgestattet mit einem HMD direkt in die virtuelle Welt und übernimmt die Handlungsausführung und Gestaltung. Eine zweite übernimmt eine begleitende und orientierende Funktion an einem Desktop-Rechner mit Blick auf das Geschehen in der virtuellen Welt. Dieses Vorgehen vermittelte insbesondere auch der Person mit dem HMD ein sicheres Gefühl, da sie wusste, dass die andere Person ein Auge auf mögliche Kollisionen im realen Raum hatte. Schlussfolgerungen Ein differenziertes Verständnis von Digitalisierungsvorhaben macht deutlich, dass naheliegende Ansatzpunkte in vielen Fällen weniger in der Vollautomatisierung von Produktionstechnologien als in der digitalen Unterstützung und Vernetzung von handhabbaren Geschäftsprozessen liegen. Dabei ist es aus Arbeitsgestaltungs- und Organisationsentwicklungsperspektive wichtig, die Mitarbeitenden als Situationsexperten aktiv in die Transformation und Neugestaltung von Geschäftsprozessen einzubinden. VR-Technologien können eine effektive Einbindung ermöglichen und somit helfen, häufig anzutreffende Probleme der Prozessmodellierung wie die Modell-RealitätsKluft und die verlorenen Innovationen zu überwinden. Eng damit verbunden ist zudem der erhebliche Vorteil, mögliche Schwierigkeiten bei der Implementierung besser zu antizipieren und nachträglich schwerwiegende Korrekturen oder ein Scheitern bei der Implementierung der neu gestalteten Geschäftsprozesse möglichst zu vermeiden. Entsprechend hat die digitale Transformation von Geschäftsprozessen mit VR ein deutliches Potenzial, die Arbeitssituation der Mitarbeitenden zu verbessern, den Kompetenzaufbau der Mitarbeitenden zu unterstützen sowie die organisationale Leistungsfähigkeit und Bereitschaft für die Befassung mit höheren Ebenen der digitalen Transformation zu fördern.
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