35 02 / 22 PERSONALquarterly Entwicklung und Flexibilisierung der IT-Infrastruktur sowie auf die Analyse bestehender Prozesse, um festzustellen, welche digitalen Daten erzeugt und nutzbar gemacht werden können. Betrachtet man aus dieser Perspektive die Situation in KMU, wird deutlich, dass in vielen Fällen bereits auf den unteren Ebenen großes Entwicklungspotenzial besteht. Häufig sind Informationssysteme zwar in Bezug auf einzelne Funktionen und Bereiche vorhanden, jedoch sind diese selten vernetzt oder integriert. Vielmehr richtet sich die Datenhaltung nach gewachsenen Strukturen in Form von nicht bis wenig standardisierten Prozessen. Zudem besteht ein relevanter Teil der Arbeit aus mündlichen Übermittlungen oder papierbasiertem Arbeiten bei gleichzeitig vielen Sprüngen zwischen digitalen und analogen Medien. In der Konsequenz sind dahinter liegende Prozesse oft nicht konsistent dokumentiert und schwer explizit abzubilden. Da das Wissen über die Prozesse sich vor allem in den Köpfen der Mitarbeitenden findet, ist es kaum in Form digitaler Daten nutzbar. Vor diesem Hintergrund besteht ein naheliegender Ansatz für einen Einstieg in die digitale Transformation insbesondere auch für KMU in der Initiierung von Vorhaben auf den unteren Ebenen durch Prozess- und Systemgestaltung. So können zum einen wesentliche Voraussetzungen für höhere Ebenen der Digitalisierung geschaffen werden; zum anderen sind bei diesem eher niedrigschwelligen Ansatz der Digitalisierung geringere technologische Investitionen, weniger externes Know-how und geringere Implementierungsrisiken erforderlich. Für die Umsetzung kann auf Geschäftsprozessmanagement als zentrales Werkzeug der organisationalen Transformation zurückgegriffen werden (vom Brocke/Mendling, 2018). Im Rahmen des Geschäftsprozessmanagements werden gezielt relevante Geschäftsprozesse mit Fokus auf Abfolgen, Rollen, Systeme sowie Informations- und Materialnutzung identifiziert, analysiert undoptimiert. AusderPerspektivederPersonalarbeit bedeutet die digitale Neugestaltung von Geschäftsprozessen auch immer Arbeitsgestaltung und geht mit Veränderungen der notwendigen Kompetenzen aufseiten der Mitarbeitenden einher (Wang u. a., 2020). Im Sinne der Humanisierung der Arbeit sollte der Mensch durch die Technologie unterstützt und nicht als Erweiterung der Technologie gesehen werden. Entsprechend gilt es aus Sicht des soziotechnischen Systemansatzes, eine gemeinsame Optimierung (joint optimization) des technischen und des sozialen Teilsystems anzustreben (Nadin u. a., 2001). Es ist daher wichtig, Arbeitsgestaltungsmerkmale sowie zukünftige Kompetenzanforderungen prospektiv und prozessbezogen zu erfassen (Depenbusch u. a., 2021). Aus Arbeitsgestaltungs- und Organisationsentwicklungsperspektive ist die Einbindung der Mitarbeitenden als Situationsexperten ein zentraler Baustein für das Geschäftsprozessmanagement (z. B. Nadin u. a., 2001; Schifferer/von Reitzenstein, 2018). Eine umfassende partizipative Einbindung ermöglicht es, das implizite Wissen der Mitarbeitenden über die Arbeitsabläufe für die Darstellung und Neugestaltung der Prozesse zu nutzen (Rito Silva/Rosemann, 2012). Gleichzeitig werden Gefühle von Verantwortung und Wirksamkeit aufseiten der Mitarbeitenden hervorgerufen (Hewelt u. a., 2020) und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung von Veränderungsbereitschaft zur Umsetzung neuer Arbeitsprozesse geschaffen (Kopp u. a., 2016). Herausforderungen der Prozessmodellierung Bei Initiativen zur Prozessgestaltung treten typischerweise erhebliche Herausforderungen auf. Eine der Hauptursachen hierfür sind Barrieren bei der Informationsweitergabe, die zu Problemen der Modell-Realitäts-Kluft (model-reality-divide) und der verlorenen Innovationen (lost innovations) führen können (Erol u. a., 2010). Die Modell-Realitäts-Kluft beschreibt das Problem, dass die dokumentierten Arbeitsprozesse häufig nicht mit der realen Ausführung übereinstimmen (Erol u. a., 2010). Vielmehr bilden Prozessmodelle oft eine automatisierte Fiktion ab, die auf idealen Bedingungen beruht. Auch können bei der Implementierung neuer Prozessmodelle Konsistenzprobleme auftreten. Aufgrund der kontextfreien Natur etablierter Prozessnotationen (Poehler/ Teuteberg, 2021) können Arbeitsprozesse in der Praxis häufig nicht in der Form umgesetzt werden, die im Modell vorgesehen ist (Antunes/Mourão, 2011). Im schlimmsten Fall entstehen Prozesse, die dann zwar dokumentiert sind, aber mit dem Arbeitsalltag wenig zu tun haben und bei Mitarbeitenden eher zu Entfremdungsgefühlen führen. ABSTRACT Forschungsfrage: Um die digitale Transformation zu unterstützen, ist zu klären, wie mithilfe von Virtual-Reality-Technologie Mitarbeitende mit ihrer Situationsexpertise effektiv in die digitale Neugestaltung von Geschäftsprozessen eingebunden und typische Hürden der Prozessgestaltung überwunden werden können. Methodik: Das BMBF Verbundprojekt „SoDigital“ entwickelt und erprobt einen VR-basierten, partizipativen Ansatz der digitalen Neugestaltung von Geschäftsprozessen. Praktische Implikationen: VR bietet einen Erlebnis- und Experimentierraum zur Unterstützung der digitalen Transformation und partizipativen Neugestaltung von Geschäftsprozessen.
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