PersonalQuarterly 2/2022

PERSONALquarterly 02 / 22 20 SCHWERPUNKT_TRANSFORMATION eine neue arbeitsintegrierte Lernkultur geschaffen werden, die zirkulär Lernbedarf ermittelt und an die Teilnehmenden, Geschäftsführung und Trainer*innen zurückspielt (Kauffeld/ Paulsen, 2018). Wie könnenMitarbeitende entwickelt werden, sodass sie Veränderungen imUnternehmen anstoßen und umsetzen können? Bei derHankensbüttelerKunststoffverarbeitungGmbH&Co. KG hat man sich genau diesen Herausforderungen gestellt und an der mehrmonatigen Weiterbildung „VeränderungsMacher*in“ teilgenommen. Einführung in das Fallbeispiel Die Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung GmbH & Co. KG (kurz: HK) verantwortet seit 1972 Fertigung von Bauteilen aus Kunststoff. Das KMU beschäftigt rund 100 Mitarbeitende und leitet eigene Ausbildungsprogramme in sieben Berufsgruppen. Das jährliche Auftragsvolumen umfasst über 70 Kunden weltweit mit einer Auslieferung von ca. 100 Millionen technischen Kunststoffbauteilen. An 30 sog. Spritzgussmaschinen werden ca. 1.500 verschiedene Kunststoffbauteile produziert. Als in Niedersachsen angesiedelter Zulieferer der Automobilindustrie ist das KMU direkt von den Umbrüchen der Automobilbranche betroffen. Im Jahr 2020 war HK pandemiebedingt mit einem Auftragseinbruch von rund 75 % konfrontiert und stellte die Produktion für mehrere Monate auf Kurzarbeit um. Die zentralen Herausforderungen des KMU lassen sich unter dem Begriff der Digitalisierung als Ausgangslage zusammenfassen. 3 Für die Qualitätskontrolle bei der Produktion an den Spritzgussmaschinen besteht Digitalisierungsbedarf. Es werden Spritzgussbauteile durch Prüfpläne – bisher handschriftlich – kontrolliert und dokumentiert. 3 Viele langjährige Mitarbeitende ziehen es vor, bei bewährten Arbeitsabläufen zu bleiben, und nehmen Veränderungsprozesse als aufwendig wahr. 3 Schulungen für Mitarbeitenden wirken kompliziert. Die Erreichbarkeit aller Mitarbeitenden ist durch den 3-SchichtBetrieb schwierig und eingeschränkt. Die Weiterbildung „VeränderungsMacher*in“ – Einblicke in Konzeption und Umsetzung Die Weiterbildung „VeränderungsMacher*in“ ist ein sechsmonatiges Weiterbildungsformat, das im Rahmen der Fachkräftebündnisse Südostniedersachsen (seit Ende 2020) und Nordostniedersachsen (seit 2021) aus Mitteln des europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Niedersachsen gefördert wird. Insgesamt wurden bislang 42 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu „VeränderungsMacher*innen“ qualifiziert und 19 Transferprojekte in 18 niedersächsischen Unternehmen angestoßen. Ziel der Weiterbildung ist es, Veränderungskompetenzen zu vermitteln, die die Teilnehmenden dazu befähigen, selbstständig und initiativ Veränderungsprozesse in ihren Unternehmen Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Teilnehmenden festgehaltene Auftrag, bei dem sich beide Seiten verpflichten, zum Erfolg des Projekts beizutragen, und in regelmäßigem Austausch über den Projektfortschritt reflektieren und sich unterstützen. Netzwerke zum Lernen und zur nachhaltigen Verankerung Transformations- und Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen können durch eine starke Vernetzung und sozialen Austausch befördert und beschleunigt werden. Da die Einführung von Neuerungen oftmals mit Widerstand einhergeht, kommt der Teilnahme von Mitarbeitenden an der Weiterbildung und bei der Projektbearbeitung im Tandem eine wesentliche Bedeutung zu. Diese Kopplung der Mitarbeitenden im Tandem dient einerseits der gegenseitigen sozialen Unterstützung zur Umsetzung des Transferprojekts. Andererseits ist das Tandem darauf ausgelegt, sich gegenseitig zu beraten, zu reflektieren oder sich insbesondere bei fehlenden zeitlichen oder organisatorischen Ressourcen zu unterstützen (Kauffeld, 2016). Das Tandem hat zudem die Aufgabe, Kolleginnen und Kollegen in der Organisation bei der Veränderung einzubinden und für die Veränderung zu gewinnen. Neben dem Tandem, der Vernetzung in der Organisation, der Vernetzung mit den Trainerinnen und Trainern und den technischen Experten wird die Vernetzung der Teilnehmenden der Lern- bzw. Trainingsgruppe untereinander und mit Alumni gefördert. Insbesondere das Format der „kollegialen Fallberatung“ wird genutzt (Tietze, 2010), um die Expertise der Teilnehmenden bei der Projektbearbeitung zu nutzen und von ihren Erfahrungen zu profitieren. Alumni vorheriger Kohorten werden in die Weiterbildung integriert, indem sie über ihre Erfahrungen berichten und als Rollenvorbilder agieren. Die Teilnehmenden selbst werden in das Netzwerk der „VeränderungsMacher*innen“ aufgenommen. Digitale Begleitung auf individuellen Lernpfaden Beschäftigte befinden sich auf individuellen Lernpfaden mit individuellen Lernzielen und -themen, für die sie eine Veränderungs- und Lernmotivation aufbauen und aufrechterhalten müssen. Formale, nonformale und informelle Lerngelegenheiten stehen dabei in Beziehung und beschreiben den individuellen Lernpfad eines Mitarbeitenden, der sich in dem beschriebenen sozialen und organisationalen Kontext abspielt (Poell, 2017; Kauffeld/Paulsen, 2018). Neben den Reflexionsmöglichkeiten in der Weiterbildung bietet ein digitales Tool zur entwicklungsorientierten Begleitung den Teilnehmenden Orientierung, Unterstützung beim zielorientierten Aufsetzen und der Implementierung ihres Transferprojekts, Reflexionsmöglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernprozess und zum Transferprojekt sowie Feedback mit individuellen Hilfestellungen. Durch die digital übertragenen Rückmeldungen zum Lern- und Transferfortschritt an die Mitarbeitenden kann

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