PersonalQuarterly 2/2022

PERSONALquarterly 02 / 22 18 SCHWERPUNKT_TRANSFORMATION Unternehmen stehen vor massiven Veränderungen, um auf aktuelle Megatrends (wie Digitalisierung, Klimaschutz, Mobilitätswende und demografischen Wandel) zu reagieren. Hierfür müssen sie oft bestehende Arbeitsprozesse überdenken, Mitarbeitende qualifizieren, um Veränderungsmaßnahmen zu etablieren und das Unternehmen neu und zukunftssicher aufzustellen. Im länderübergreifenden Index der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit belegte Deutschland im Jahr 2020 von 63 Ländern lediglich Platz 14 in der Kategorie „wirtschaftliche Transformationsbereitschaft“ (Schwab/Zahidi, 2020). Ein strategischer Kompetenzaufbau1, der die Mitarbeitenden befähigt, neues Wissen und neue Fähigkeiten in das Unternehmen einzubringen, ist nötig, um den Herausforderungen zu begegnen. Wie aber gelingt der Kompetenzaufbau für Mitarbeitende mit dem Ziel, die Organisation zu verändern? Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, am Beispiel des Automobilzulieferers Hankensbütteler Kunststoffverarbeitung GmbH & Co. KG exemplarisch zu beleuchten, wie es gelingen kann, die Personalentwicklung zu nutzen, um eine Organisationsentwicklung anzustoßen. Lernen und Arbeiten – früher und heute Der Kompetenzaufbau durch abwechselnde Qualifizierungs- und Anwendungsphasen konnte effizient gestaltet werden (vgl. oberster Strang in der Abb. 1), solange stabile Prozesse und überschaubare Informationen in Organisationen dominierten (vgl. Baitsch, 1998). In den 1990ern wurden die vormals getrenntenAnwendungs- undQualifizierungszeiten enger gekoppelt, sodass als Folge kurzlebigerer Unternehmensprozesse sowie Informationsüberfluss die Effizienz dieses Vorgehens sank. Damit galt Weiterbildung als zu langsam und chronisch verspätet und konnte dem eigentlichen Bedarf nicht genügen (vgl. zweiter Strang in der Abb.; Staudt/Kriegsmann, 1999). Die Vision der 1990er Jahren sah vor, Lernen und Anwenden zu verbinden, und spiegelt sich im Begriff der Kompetenz wider, der die erfolgreiche Bearbeitung von vor allem neuarWie Mitarbeitende Veränderungsprozesse in Unternehmen gestalten können Von Prof. Dr. Simone Kauffeld und Ann-Kathleen Berg (Technische Universität Braunschweig, 4 A-Side GmbH) tigen Aufgaben in der Arbeit betont (vgl. Kauffeld/Paulsen, 2018). Diese Form des arbeitsintegrierten Lernens stand (und steht) als Antwort auf den Zuwachs an lernfähigen Prozessen und den Umgang mit situationsgerechten Informationen in Unternehmen sowie deren Förderung und Ermöglichung (vgl. dritter Strang in der Abb. 1). In Zeiten, in denen disruptive Technologien neue Prozesse erfordern, reicht das arbeitsintegrierte Lernen allein nicht mehr aus. Es braucht den Input von außen, um Innovationen vorantreiben und die Organisation entwickeln zu können. Gleichzeitig ist die Verknüpfung in die Organisation wichtig, um den Anforderungen gerecht zu werden. Dies kann gelingen, indem Mitarbeitende in Weiterbildung von externem Expertenwissen (z. B. durch Universitäten oder Forschungseinrichtungen) profitieren und befähigt werden, dies in ihrer Organisation anzuwenden. Ziel ist es, durch zusätzliches Wissen von extern, zur Entwicklung der Organisation nachhaltig beizutragen. Weiterbildung allein reicht nicht aus – das Lerntransfersystem muss gestaltet werden Weiterbildungen sind oft nicht nur chronisch verspätet (Staudt/Kriegsmann, 1999), sondern gelten auch hinsichtlich des Transfers als nicht besonders effektiv. Nur 10 bis 15 % des in der Weiterbildung Gelernten wird in den Arbeitskontext durch Trainingsteilnehmende transferiert (Ford/ Baldwin/Prasad, 2018). Der Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag ist dabei neben Faktoren des Teilnehmenden (z. B. Transfermotivation und -volition) und des Trainings (z. B. Transferdesign, Arbeits-Trainings-Übereinstimmung, Trainingsatmospäre) vor allem vom Arbeitsumfeld abhängig. In unseren Untersuchungen (vgl. zsf. Kauffeld, 2016) konnten wir immer wieder zeigen, dass vor allem Faktoren im Arbeitsumfeld dafür verantwortlich sind, ob der Transfer in den Arbeitsalltag gelingt oder nicht. Die Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, die Möglichkeit der Wissensanwendung, zeitliche Ressourcen oder Feedback sind relevante Faktoren. Die Anwendung von Weiterbildungsinhalten oder – wie im vorliegenden Fall – die explizit damit verbundene Veränderung der Organisation hat Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld, 1 Unter dem Begriff „Kompetenz“ werden alle Fertigkeiten, Fähigkeiten und Wissen gefasst, die einem Mitarbeitenden zur Erfüllung einer bestehenden oder zukünftigen Arbeitsanforderung zur Verfügung stehen (Kauffeld/Paulsen, 2018).

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