16 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 02 / 22 dass wir die Transformation nur erfolgreich ins Ziel bringen werden, wenn die HR-Ressorts frühzeitig strategische Pläne ausarbeiten und mit den anderen Fachbereichen abstimmen. Eine große Herausforderung besteht aber auch für uns darin, schnell belastbare Erkenntnisse über Quantität und Qualität zukünftig benötigter Skills zu gewinnen und diese Erkenntnisse mit der Zusammensetzung des eigenen Belegschaftskörpers abzugleichen: Wo können wir umqualifizieren, wo müssen wir auf- und wo müssen wir abbauen? Workforce Transformation wird demnach zum zentralen Begriff des Handelns der Personalfunktion im Transformationskorridor. Nur durch einen gut geplanten Umbau können die Betriebe im Übergang einerseits die technologische Exzellenz und damit die notwendige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen und andererseits die traditionelle Sozialverträglichkeit des Belegschaftsumbaus garantieren. HR muss sich hierauf systematisch vorbereiten. Transformation kann im Übrigen nur gelingen, wenn wir industrieweit Kräfte bündeln. Insbesondere Plattformen wie der „Strategiedialog Automobilwirtschaft“ können hier eine prominente Rolle spielen. Denn den Übergang in die neue Epoche der Digitalisierung können wir nicht als Einzelgänger bestehen. Wir benötigen vielmehr starke Netzwerke zwischen Wirtschaft, Politik und Forschung, um in den Dialog zu gehen, wie wir die Herausforderungen gemeinsam meistern können. So sichern wir allein im Autoland Niedersachsen Zehntausende Arbeitsplätze. Ariane Reinhart: Die größte Herausforderung sehe ich in Deutschland im demografischen Wandel. Aktuell haben wir 16 Millionen Menschen im Alter ab 67 Jahren. 2035 werden es voraussichtlich bereits 20 Millionen Menschen sein. Das ist ein Anstieg von über 20 %. Damit kommen im Jahr 2035 bis zu 43 Menschen im Rentenalter auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 66. Derzeit liegt dieser sog. Altenquotient bei 31. Ein derartiger Anstieg ließe sich nur mit einer Zuwanderung bis 2035 von jährlich 400.000 Fachkräften vermeiden. Zusätzlich zur Qualifizierungsoffensive benötigen wir folglich einen neuen Ansatz für die gesteuerte Zuwanderung junger Fachkräfte. PERSONALquarterly: Implizit sprechen Sie es an: Wird jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin an Bord bleiben können? Gunnar Kilian: Die Menschen im Unternehmen sind im Kern der wichtigste Hebel für den technologischen Wandel. Wir wollen die Transformation daher gemeinsam mit unserer Belegschaft schaffen. Dennochmüssen wir es klar benennen: Unsere Transformation hin zum softwarebasierten Technologieunternehmen löst in vielen Bereichen große qualitative Veränderungen der Beschäftigung aus. Genau deshalb ist es so wichtig, die Transformation durch eine frühzeitige strategische Planung sozialverträglich zu gestalten, in der Hauptsache über die Altersteilzeit. Denn Wandel braucht Sicherheit. Ausgehandelt haben wir dies mit dem Betriebsrat zunächst im „Zukunftspakt“ und später in der Roadmap „Digitale Transformation“. Dieses Transformationsprogramm läuft noch bis 2023. Zudem haben wir uns mit dem Betriebsrat auf eine Verlängerung der Beschäftigungssicherung bis 2029 verständigt. PERSONALquarterly: Welche Herausforderungen des Wandels gibt es aus Sicht von KMU? Welche Lösungen zeichnen sich hier ab? Thomas Vietor: Auf KMU kommen sehr große Herausforderungen zu. Ganze Baugruppen entfallen und es werden neue Baugruppen benötigt. Neben mechanischen Komponenten werden Teilsysteme aus Mechanik, Elektrik, Elektronik und Software eine größere Bedeutung als heute haben. Damit werden sich die Wertschöpfungsmodelle der KMU erheblich ändern. Für die Änderung bedarf es des technologischen Wandels, einer Änderung der Prozesse und der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei kommt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine entscheidende Rolle zu: Sie müssen den Wandel mitgestalten. Hierzu wurde das Modell des „Veränderungsmachers“ entwickelt, welches in einigen niedersächsischen Unternehmen bereits sehr erfolgreich eingesetzt wird. PERSONALquarterly: Würden Sie jungen Menschen empfehlen in die Automobilindustrie zu gehen? Ariane Reinart: Ja! Ich arbeite selbst seit über 20 Jahren in der Automobilindustrie und würde mich jederzeit wieder für die Automobilbranche entscheiden. Unsere Industrie befindet sich am Anfang des größten Technologiewandels, den es seit der Erfindung des Automobils gab. Ich würde sagen, es gab noch nie eine bessere und spannendere Zeit, um in der Automobilindustrie zu arbeiten. Für mich liegt in dieser Transformation eine riesige Chance. Etablierte Strukturen werden aufgebrochen, Marktanteile neu verteilt. Aktuell herrscht eine regelrechte Aufbruchsstimmung in der Automobilindustrie. Die Zukunft der Mobilität mitzugestalten, ist unglaublich spannend und inspirierend. Gunnar Kilian: Die Automobilindustrie ist ungeachtet der vielen Herausforderungen eine der facettenreichsten, dynamischsten und vor allem zukunftsträchtigsten Industriezweige weltweit. Das gilt besonders für Volkswagen. Als Global Player bieten wir unseren Beschäftigten so viele Entwicklungsmöglichkeiten wie kaum ein anderes Unternehmen – und das über alle Kontinente hinweg. Mit starken Marken und innovativen Produkten öffnen wir vielenMenschen eine der spannendsten beruflichen Perspektiven überhaupt: die Zukunft der Mobilität mitzugestalten. Und dies in einer Breite an Berufsfamilien, die nur wenige Arbeitgeber bieten können: vom Facharbeiter in der Produktion, über Ingenieure in Forschung und Entwicklung bis zum Softwareprogrammierer oder -architekten. Daher kann ich diese Frage mit einem klaren Ja beantworten.
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