15 02 / 22 PERSONALquarterly PERSONALquarterly: Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Qualifikation von Ungelernten? Ariane Reinhart: Grundsätzlich gibt es eine große Herausforderung bei der Qualifikation, die nichts mit den Teilnehmenden zu tun hat, und das ist die Finanzierung. Wollten wir nur 20 % unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland für jeweils 9 Monate qualifizieren, entstünden für uns eine Milliarde Euro an Lehrgangs- und Arbeitsausfallkosten. Das breite Spektrum der Teilnehmenden aus allen Altersklassen, von Mitte 20 bis Ende 50, mit unterschiedlichster Vorbildung und beruflicher Vergangenheit ist für mich erst einmal Ausdruck der überwältigenden Motivation unserer Mitarbeitenden, sich weiter qualifizieren zu wollen. Über valide diagnostische Verfahren ermitteln wir die individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten der Beschäftigten und gleichen diese mit dem künftigen Aufgabenfeld ab. Dort, wo es Qualifizierungsbedarf gibt, wird nachgeschult. Natürlich fällt es manchen leichter, wieder die Schulbank zu drücken, als anderen. Ich bekomme aber die Rückmeldung, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kursen gegenseitig unterstützen und unsere Unternehmenskultur auch in den Räumen des CITT gelebt wird. Neben dem Engagement unserer Belegschaft braucht es aber auch einen gesetzlichen Rahmen. Mit dem Qualifizierungschancengesetz haben wir ein sehr gutes und wichtiges Instrument zur Bewältigung der Transformation in Deutschland. PERSONALquarterly: Werden alle Mitarbeitenden in der Zulieferindustrie gehalten werden oder braucht es nicht auch eine Entwicklung in andere Branchen, in den Fachkräfte dringend gebraucht werden? Ariane Reinhart: Ich gebe ihnen vollkommen recht: Wir müssen über unsere eigene Industrie hinausblicken. Und ich bin davon überzeugt, dass wir eine strategische Personalplanung für ganz Deutschland benötigen. Auch in der aktuellen Transformation kristallisieren sich Regionen heraus, die stärker getroffen sein werden als andere. Deshalb haben wir mit der Allianz der Chancen die erste Branchen und Regionen übergreifende Initiative von mittlerweile 33 Unternehmen und Institutionen gegründet, die in Deutschland mehr als 1,1 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt. Als Verantwortungsgemeinschaft wollen wir gemeinsam die Transformation der Arbeitswelt nachhaltig gestalten. Ziel der Allianz ist es dabei, Menschen von Arbeit in Arbeit zu bringen und Arbeitslosigkeit durch neue Beschäftigungsperspektiven zu verhindern. Denn wir haben auch perspektivisch in Deutschland nicht zu wenig Arbeit, ganz im Gegenteil. Mit Blick auf den anstehenden demografischen Wandel brauchen wir in Deutschland jede Arbeitskraft und müssen dafür sorgen, dass diese Arbeitskräfte mit dem richtigen Fachwissen ausgestattet sind und an der richtigen Stelle wirken können. Thomas Vietor: Nahezu alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zumindest teilweise andere Qualifikationen erwerben müssen. Das kann im gleichen Unternehmen sein, kann aber auch eine Änderung des Arbeitgebers bedeuten. Daher ist es wichtig, dass Programme entwickelt werden, mit denen die Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergänzt und erweitert werden. Hierzu bedarf es einer objektiven Bewertung der vorhandenen und eine Erfassung der für eine neue Tätigkeit benötigten Qualifikationen sowie einer gezielten Weiterentwicklung für die neue Arbeit. Damit kann eine neue Beschäftigung erreicht werden. Es ist das Ziel, möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der gleichen Branche zu beschäftigen, aber es kann auch sein, dass ein Wechsel der Branche erforderlich ist. Auch hierfür sind Qualifikationsmaßnahmen zu entwickeln. PERSONALquarterly: Inwieweit können von den Aktivitäten der OEM, wie von Herrn Kilian und Frau Reinhart anschaulich beschrieben, oder der großen Zulieferer auch KMU profitieren? Ariane Reinhart: Transformation findet in den Regionen statt. Um diese erfolgreich zu gestalten, brauchen wir vor Ort ein enges Netzwerk an Partnern. Deshalb steht die Allianz der Chancen sowohl großen Automobilherstellern und Zulieferern als auch KMUs offen. Und wir haben auch bereits KMUs als Mitstreiter für unsere Initiative gewinnen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Initiative umso stärker wird, je mehr Unternehmen sich engagieren. In einem engmaschigen Netzwerk können wir effizient Brücken in neue Beschäftigung bauen und so den Wandel als Chance nutzen. Gleiches gilt für Qualifizierungsoffensiven. Wie auch in der sog. „Nationalen Plattform Mobilität“ (NPM) erarbeitet, brauchen wir regionale Kompetenz-Hubs, um die Qualifizierung in den Regionen zu bündeln und gemeinsam zu gestalten. Genauso kann ich mir vorstellen, unser CITT zu öffnen und dort Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus einer Region, aber aus unterschiedlichen Unternehmen gemeinsam zu qualifizieren. Bereits heute bilden wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im CITT aus, die nach Abschluss ihrer Qualifizierungsmaßnahmen eine Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen beginnen. Wir müssen uns eines klar machen: Gemeinsame Herausforderungen brauchen gemeinsame Lösungen. Niemand wird die Transformation der Arbeitswelt allein lösen. Deshalb müssen alle Akteure an einen Tisch: Unternehmen, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und natürlich die Sozialpartner. PERSONALquarterly: Was sind die größten Herausforderungen in der Zukunft, wenn Sie das Personal im Blick haben? Wie kann Transformation gemeistert werden? Gunnar Kilian: Elementar ist es, die Veränderung im Sinne der Beschäftigten proaktiv, vorausschauend und so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Ich bin fest davon überzeugt,
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