PersonalQuarterly 2/2022

12 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 02 / 22 zu einer Umverteilung der Wertschöpfungstiefe führt und dadurch für tektonische Verschiebung auf dem Arbeitsmarkt sorgt. Dabei darf es nicht zu einer Optimierung zulasten des Zulieferers kommen, bspw. durch vertikale Integration vorgelagerter Wertschöpfungsschritte der Automobilhersteller. Viel eher sollte dies dazu führen, dass Zulieferer und Hersteller strategische Partnerschaften eingehen, in die beide Seiten ihr Know-how einbringen und so mit vereinten Kräften Lösungen erarbeiten. Ich denke dabei u. a. an zirkuläres Wirtschaften. Durch zirkuläres Wirtschaften können wir endliche Ressourcen unendlich nutzbar machen. Das erfordert aber sowohl eine gemeinsame Entwicklung als auch einen gemeinsamen Ansatz für Recycling und Remanufacturing und würde Fahrzeughersteller und Zulieferer enger aneinander binden. PERSONALquarterly: Was sind die zentralen Faktoren für eine erfolgreiche Transformation in der Automobilindustrie? Wo gibt es Handlungsfelder? Gunnar Kilian: Die gelingende Transformation ist für mich auch eine Frage der Führung. Deshalb gehen wir in der Führungskräfteentwicklung mit speziellen Programmen neue Wege. Unser Senior-Management-Programm bspw. fokussiert sich auf das Thema „Transformation gestalten“. Es teilt sich in zwei Module, welche von der HPI Academy Potsdam und der Business School HEC Paris durchgeführt werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind neben „Innovation“ vor allem auch „Kundenzentrierung“ und „neue Geschäftsmodelle“. Damit wollen wir unseren oberen Managementkreis (Anm.: die Ebene unterhalb des Topmanagements) befähigen, das Business und dessen Transformation, neu denken zu können. Insbesondere wollen wir den Gedanken der Zusammenarbeit weiter fördern. So ist das Senior-Management-Programm als Konzernprogramm konzipiert worden, damit sich die neu ernannten Mitglieder des oberen Managementkreises der verschiedenen Marken kennenlernen und vernetzen. Denn wir können die Transformation unseres Konzerns nur gemeinsam zu einer Erfolgsgeschichte machen, wenn auch alle davon profitieren – Management und Beschäftigte zusammen. Das Senior-Management-Programm ist übrigens ein Pflichtbaustein unserer Managemententwicklung im Konzern. PERSONALquarterly: Was bedeutet die Transformation der Mobilität für Arbeit und Qualifikation? Gunnar Kilian: Rund die Hälfte unserer weltweit mehr als 670.000 Beschäftigten ist heute in der traditionellen Automobilproduktion tätig ist. Darumwird der Volkswagen-Konzern in den kommenden Jahren ein umfassendes Transformationsprogramm in der Belegschaft umsetzen. Um sicherzustellen, dass die Beschäftigten verantwortungsvoll durch den Wandel geführt werden, arbeitet der Vorstand dabei eng mit dem Betriebsrat zusammen. So werden u. a. umfangreiche Ressourcen für Qualifizierungen zum Erwerb softwarebasierter Fähigkeiten bereitgestellt. Volkswagen hat bspw. seine deutschen Standorte bereits fit für die Zukunft gemacht, das Komponentengeschäft des Konzerns transformiert und das Werk in Zwickau zum E-Mobilitäts-Hub umgewandelt. Ähnliche Transformationen für die Werke in Emden und Hannover sind auf dem Weg. Im Hauptwerk Wolfsburg planen wir eine komplett neue Fertigung für ein E-Fahrzeug. Bei diesen Veränderungen müssen aus Sicht von HR eindeutig die Menschen mit im Mittelpunkt stehen. Denn es sind eben die Menschen in unserem Unternehmen, die auf unserem Weg zum softwaregetriebenen Mobilitätsanbieter der entscheidende Erfolgsfaktor sind. Ariane Reinhart: Als Folge der Technologiewende müssen, wie ein Beratungsunternehmen errechnet hat, bis 2030 allein in der Europäischen Union 1 Million Menschen, die heute in der Automobilindustrie arbeiten, auf neue Tätigkeitsfelder und -profile vorbereitet werden. Im gleichen Zeitraum erwartet die Europäische Kommission bspw. 160.000 neue Arbeitsplätze im Energie- und Heizungssektor, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu verbessern und den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu senken. Genau dafür brauchen wir einen Transformationsmasterplan für die EU. Über eine strategische Personalplanung müssen wir erfassen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit welchen Kompetenzen die europäische Wirtschaft in fünf Jahren braucht. Darauf abgestimmt müssen europaweit nationale Qualifizierungspläne erstellt werden. Angefangen bei den Ausbildungsplätzen und Universitäten bis zu Weiterbildungsmaßnahmen und Umqualifizierungen, intern in Unternehmen ebenso wie durch staatliche Institutionen und gewerkschaftliche Bildungseinrichtungen. Diesen Hebel müssen wir nutzen, um sowohl in der EU als auch in Deutschland die Transformation und den Strukturwandel zu gestalten. PERSONALquarterly: Herr Kilian, Sie haben bei Volkswagen mehrere Initiativen gestartet. Welche helfen, den Wandel zu gestalten? Wie gelingt es Ihnen, die Mitarbeitenden auf dem Weg mitzunehmen? Gunnar Kilian: Die Grundvoraussetzung, um die Transformation im Sinne des Unternehmens und der Beschäftigten zu steuern, ist zunächst ein entsprechend aufgestellter Personalbereich, der als Change Manager, Gestalter von Blaupausen für die Transformation und Architekt des operativen Umbaus im Unternehmen wirken kann. Unsere Strukturreform haben wir im Laufe des Jahres 2019 erarbeitet und zum 1. Januar 2020 in Kraft gesetzt. Das neue „Operating Model“ – wir nennen es „One HR“ – erlaubt es uns, viel stärker als zuvor zum strategischen Treiber der Transformation zu werden. Das bedeutet auch, die Belegschaften in unseren Unternehmen und Institutionen so aufzustellen, dass sie die neuen Herausforderungen

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