PersonalQuarterly 2/2022

10 SCHWERPUNKT_INTERVIEW PERSONALquarterly 02 / 22 demWeg zur Klimaneutralität helfen. Die Botschaft muss sein: Klimaneutralität lohnt sich auch wirtschaftlich! Thomas Vietor: Sowohl die Digitalisierung als auch die Dekarbonisierung haben neben den technologischen Herausforderungen einen sehr großen Einfluss auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wesentliche Systeme und Baugruppen der Fahrzeuge werden sich ändern. Hier ist der teilweise Ersatz des Verbrennungsmotors durch den Elektromotor bei Weitem nicht die einzige technologische Änderung. Damit müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neue Qualifikationen erwerben, die Ausbildung muss sich ändern und alle Arbeitsbereiche werden sich erheblich verändern. Forschung und Ausbildung sind Schlüssel für die Transformation, und die Zusammenarbeit der Wirtschaft mit den Universitäten und Hochschulen ist eine Stärke in Deutschland, die auch in der Transformation eine entscheidende Rolle einnehmen kann. PERSONALquarterly: Sind die großen OEMs und die Zulieferer in Deutschland schnell genug im Transformationsprozess unterwegs? In welchen Bereichen ist der Weg geebnet? Wo besteht Handlungsbedarf, wenn Sie z. B. an die Elektrifizierung oder die Software im Fahrzeug oder die vielfältige Kooperationsbeziehungen denken? Thomas Vietor: Die Transformation wurde in kleinen Schritten bereits vor Jahren eingeleitet. Das zeigt sich z. B. in der Ausstattung von Fahrzeugen, aber auch bei der Sicherheit oder beim Komfort, wo sehr hohe Niveaus heute Standard sind. Die Fahrzeuge selbst, die Entwicklung der Fahrzeuge und die Fahrzeugproduktion hat auch in der Vergangenheit erhebliche Weiterentwicklungen durch und mithilfe der Digitalisierung erfahren. In anderen Bereichen, wie bei der Einführung alternativer Antriebe, wurde aber der Wandel durch die deutsche und europäische Automobilwirtschaft erst sehr spät eingeleitet. So führte die Elektromobilität lange Zeit ein Schattendasein. Dadurch ist in Europa generell ein Rückstand in der Elektromobilität und speziell in der Batterietechnologie entstanden. Durch erhebliche Anstrengungen der Automobilwirtschaft, aber auch durch öffentliche Förderung der Forschung gelingt es hier zunehmend, den Rückstand aufzuholen. Durch neue Marktteilnehmer und weitere technologische Entwicklungen entstehen aber auch immer wieder neue Herausforderungen. Der Weg der Veränderung ist weiter zu gehen und die Entwicklung, z. B. der Batterietechnologie, fortzusetzen. Die benötigten Produktionskapazitäten sind aufzubauen. Die Ansätze zur Bilanzierung aller Ressourcen, die für die Mobilität eingesetzt werden, müssen weiter entwickelt werden und dies bei der Produktion und dem Betrieb von Fahrzeugen durchgängig eingeführt werden. Ariane Reinhart: Wir haben bei Continental bereits seit 2020 einen umfassenden Nachhaltigkeitsfahrplan. Und unser großes Ziel lautet: Bis spätestens 2050 wollen und werden wir ein komplett nachhaltiges Unternehmen sein; ein Unternehmen, das zu 100 % auf Klimaneutralität setzt, das zu 100 % emissionsfreie Mobilität und Industrie ermöglicht, das zu 100 % zirkulär wirtschaftet und das sich auf zu 100 % verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten stützt. Dabei ist es unser Anspruch als Zulieferer, die Geschwindigkeit unserer Kunden mitzugehen und sie bei dieser Transformation zu unterstützen. Unsere eigene Produktion macht übrigens nur noch etwa 1 % unseres CO2-Fußabdrucks aus, der Rest entfällt auf vor- und nachgelagerte Prozesse. Die Nutzungsphase unserer Produkte verursacht aktuell noch über 80 % des CO2-Fußabdrucks. Mit der wachsenden Zahl emissionsfreier Fahrzeuge wird dieser Anteil jedoch sukzessive sinken. Daher fokussieren wir uns aktuell auf den zweitgrößten Posten in unserer CO2-Bilanz: eingekaufte Waren. Dekarbonisierung funktioniert nur gemeinsam mit allen Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Neben der Dekarbonisierung führt die Digitalisierung in der Automobilindustrie dazu, dass wir heute ganz andere Talente ansprechen und für unseren Konzern begeistern wollen. Unter unseren 193.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind bereits heute 17.000 Software- und IT-Experten, Tendenz steigend. Schon heute stehen wir vor der Herausforderung, Software-Ingenieure in ausreichender Anzahl und mit der richtigen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Deshalb haben wir, um dem wachsenden Bedarf an Software-Experten gerecht zu werden, bereits 2015 den neuen Ausbildungsberuf des mathematisch-technischen Software-Entwicklers geschaffen. 2019 haben wir mit der Gründung der Continental Software Academy eine Plattform entwickelt, auf der wir unsere eigenen Software-Experten aus- und ständig weiterbilden. Heute sind es bereits knapp 25.000 aktive Nutzerinnen und Nutzer, die zielgerichtet an über 500 Kursen teilnehmen können. PERSONALquarterly: Wie sieht die Situation in der Zulieferindustrie vor allem durch die Änderungen der Komponenten (z. B. Antriebsstrang) aus? Welche Herausforderungen gibt es für die Zulieferer? Ariane Reinhart: Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) aus dem Jahr 2021 errechnet für die Technologiewende vom Verbrenner- zum Elektromotor bis 2030 in der Europäischen Union einen Nettoverlust von ca. 36.000 Arbeitsplätzen. Im gleichen Zeitraum erwartet BCG aber Brutto-Auswirkungen auf über 1 Million Jobs. Dabei gehen hauptsächlich Arbeitsplätze in der Fertigung von Motoren und damit verbundenen Komponenten verloren. Neue Jobs hingegen entstehen bspw. in digitalen Technologien, aber auch beim Aufbau und der Wartung der Ladeinfrastruktur. Wie stark ein Zulieferer von der Technologiewende betroffen ist, hängt also maßgeblich vom individuellen Produktportfolio ab. Klar ist jedoch, dass die Technologiewende

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