Personal Quaterly 1/2022

PERSONALquarterly 01 / 22 54 SERVICE _PRAXISBLICK PERSONALquarterly: Welche wissenschaftliche Leistung in der Menschheitsgeschichte hat Sie besonders beeindruckt? Jochen Wallisch: Es ist weniger eine wissenschaftliche Leistung als eine Erfindung, die den Grundstein für die Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, gelegt hat: der Buchdruck. So gelang es, Wissen zu „demokratisieren“ und zugänglich zu machen. Systematisches Sammeln und Austauschen im Sinne von wis- senschaftlichem Streben wurde überhaupt erst möglich. PERSONALquarterly: Welche Bedeutung hat für Sie die Wissen- schaft, kann man sich auf deren Erkenntnisse verlassen? Jochen Wallisch: Isaac Asimov hat es aus meiner Sicht treffend formuliert: „The saddest aspect of life right now is that science gathers knowledge faster than society gathers wisdom.“ Ich bin überzeugt, dass das Streben nach objektiver Erkenntnis, die nicht vom subjektiven Glauben oder Nichtglauben abhängt, einer der Grundpfeiler unserer modernen Gesellschaft ist. PERSONALquarterly: Welche Berührungspunkte haben Sie persönlich mit der Wissenschaft? Welche hatten Sie in Ihrem Werdegang? Jochen Wallisch: Ich wurde ganz im Sinne des Humboldtschen Bildungsideals sozialisiert. Ich war jahrelang als wissenschaft- licher Mitarbeiter bzw. wissenschaftlicher Assistent an einem (rechts-)wissenschaftlichen Lehrstuhl/Institut tätig. PERSONALquarterly: Arbeiten Sie mit Wissenschaftlern zusammen? Jochen Wallisch: Wir haben bei Siemens die Methodik #NextWork entwickelt. Sie wurde entwickelt, um neuste Forschungser- kenntnisse direkt in das Produkt mit einfließen zu lassen und für die Praxis anwendbar umzusetzen. #NextWork hat sehr von der Verzahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen mit den Problemen und Herausforderungen der Praxis profitiert. PERSONALquarterly: Kann die Wissenschaft helfen, das Personal- management in den Unternehmen besser zu machen? Jochen Wallisch: Definitiv, es ist ein Geben und Nehmen: Wir als Unternehmen sollten einen Rahmen mitgestalten und fördern, in dem auch die Wissenschaft und die damit verbundene Kol- laboration Platz findet. Durch Erfahrungsaustausch und damit einhergehende Perspektivwechsel gelingt es, voneinander zu lernen und Anregungen für das Personalmanagement zu er- halten. Zudem kann der Transfer von Forschungsergebnissen in die Industrie, und damit auch in das Personalmanagement, bei der Bewältigung aktueller Ereignisse aktiv unterstützen. PERSONALquarterly: Haben Sie ein aktuelles Beispiel, wo Sie auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen? Jochen Wallisch: Die Art zu arbeiten hat sich in den vergange- nen Jahren stark gewandelt. Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich verstärkt. Uns war schnell klar, dass es nicht möglich sein wird, nach der Pandemie so weiter- zuarbeiten wie zuvor. Viel mehr war es unser Anliegen, aus den Erkenntnissen in der Krisenzeit zu lernen, um unsere kulturelle Transformation weiter voranzutreiben. Aus diesem Grund haben wir das „New Normal Working Model“ bei Siemens eingeführt. Ziel ist es, mobiles Arbeiten dauerhaft und global als Standard in der neuen Normalität zu etablieren. Damit verbunden ist auch ein anderer Führungsstil, der sich an Ergebnissen orientiert, nicht an der Präsenz im Büro. Bei der Entwicklung war eine For- schungseinrichtung beteiligt, die mit uns gemeinsamWorkshops im Unternehmen durchgeführt sowie Maßnahmen erprobt hat. Aus ihren Erkenntnissen können wir viele aktuelle Schlüsse zu Formen der virtuellen Zusammenarbeit, Leadership u. Ä. ziehen. PERSONALquarterly: Was wünschen Sie sich von der Wissenschaft? Wie kann Wissenschaft die Praxis noch besser unterstützen? Jochen Wallisch: Unerlässlich ist eine kontinuierliche Möglich- keit zur engen und erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, von der beide Seiten profitieren. Institute, Forschungseinrichtung u. Ä. sollten meines Erach- tens den Transfer von der Wissenschaft in die Praxis stärker als integralen Bestandteil ihrer Tätigkeit sehen und einbinden sowie aktiv Feedback aus der Praxis sicherstellen. Zudem be- fürworte ich mehr Engagement für Projekte, die weniger auf „klassisches“ Wissenschaftsmanagement abzielen, sondern mehr auf Interaktion mit der Gesellschaft. PQ stellt HR-Verantwortliche vor, die im engen Austausch mit der Wissenschaft sind und so Personalarbeit voranbringen. In dieser Ausgabe: Dr. Jochen Wallisch, Siemens Der PERSONALquarterly-Fragebogen DR. JOCHEN WALLISCH verantwortet als Execu­ tive Vice President HR bei Siemens die Perso- nalabteilung für Siemens in Deutschland und führt Teile der Global HR Busi- ness Partners.

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