Personal Quaterly 1/2022

53 01 / 22 PERSONALquarterly PROF. DR. FLORIAN KUNZE Lehrstuhl für Organisational Studies Universität Konstanz Florian.Kunze@uni-konstanz.de www.polver.uni-konstanz.de/kunze/ – die umsatzstärksten Unternehmen der USA – über die Zeit beobachtet. Zu Hilfe kam ihm dabei der Altman Z-Wert, eine Finanzzahl, die anzeigt, wie hoch die Gefahr ist, dass Unter- nehmen in nächster Zeit bankrottgehen. Um zu überprüfen, ob dies eine Ursache für weibliche Besetzungen ist, nutzt er eine Regressionsdiskontinuitätsanalyse: Er setzt die wirtschaftliche Entwicklung mit der Besetzungspolitik der Unternehmen in Relation. „Wir konnten tatsächlich zeigen, dass Frauen vor allem dann in den Vorstand berufen werden, wenn es einem Unternehmen wirtschaftlich nicht gut geht. Frauen tragen also ein viel größeres Risiko zu scheitern.“ Florian Kunze führt außerdem sogenannte Tagebuchstu- dien durch: häufige Befragungen von Probanden in realen Settings. So fragt der Konstanzer Forscher mit seinem Team etwa gerade Auszubildende mit Migrationshintergrund regel- mäßig über eine App, wie sie auf diskriminierende Negativ­ erlebnisse am Arbeitsplatz reagieren. Seine Arbeitshypothese ist, dass es herausragende Ankerereignisse gibt. Insbesonde- re im Onboarding können Unternehmen laut dem Professor mit diskriminierungsfreien Prozessen erhöhte Abbruchraten verhindern. „Das Entscheidende ist, was in der Anfangsphase in den Teams passiert. Negative Erlebnisse setzen sich dann fest und prägen die Interpretation der weiteren Zusammenar- beit“, meint der Forscher. Diese Erkenntnis nutze vor allem KMUs. Denn mit einem guten Onboarding brauche es nicht unbedingt den ganzen Instrumentenkoffer von Diversity Ma- nagement. Große Homeoffice-Studie Auch der Megatrend Digitalisierung bestimmt die Arbeit des akademischen Multitalents. Zum Beispiel setzt Kunze sich mit „Digital Fluency“ auseinander. Gemeint ist digitale Gewandt- heit: die Fähigkeit, zuverlässig angestrebte Ziele mithilfe von digitalen Technologien zu erreichen. Aufsehen erregte er hier- zulande mit der „Konstanzer Homeoffice-Studie“. Sein Team befragt seit März 2020 regelmäßig 700 Beschäftigte, die re- präsentativ für die deutsche Erwerbsbevölkerung sind. Kunze untersucht dabei, wie Remote Work oder hybrides Arbeiten sich auf Produktivität und Wohlbefinden von Mitarbeitenden auswirken. Auf Basis der bisherigen Studienergebnisse hat er einen „Mobil Work Potential Score“ entwickelt – in Zusammen- arbeit mit der LBS Bausparkasse. Mithilfe des Tools können Unternehmen bestimmen, welche Tätigkeiten sich fürs Home- office eignen. „Aufgaben, die man gut allein erledigen kann, erfordern keine Anwesenheit im Büro. Je mehr Interaktion im Team nötig ist, desto häufiger sollten die Beschäftigten aber vor Ort zusammenkommen.“ Florian Kunzes nächstes großes Forschungsprojekt zum Thema Digitalisierung hat mit „Techno-Stress“ zu tun: Um herauszufinden, unter welchen Bedingungen Beschäftigte sich von digitalen Tools besonders gestresst fühlen, möchte er phy- siologische Stresslevel-Messungen durchführen. So lässt sich etwa über den Zuwachs an Cortisol in Haarproben ablesen, wie gestresst jemand zu welchem Zeitpunkt tatsächlich ist. Auch sein eigenes Stresslevel war in der Coronasituation nicht immer optimal, erzählt er. Florian Kunze ist verhei- ratet und hat drei Kinder. Da sei es nicht immer leicht, im akademischen Mehrkampf zwischen Lehre, Forschung und Praxistransfer zu bestehen. Zwar konnte er zwei Forschungs- semester dazu nutzen, die Aufgaben im Homeschooling mit seiner Frau zu teilen. Doch auch ihn beschäftigt der „Family- to-Work Conflict“: „Man muss lernen, sich abzugrenzen und klar zu kommunizieren, damit man auch mal richtig Ruhe zum Arbeiten findet.“

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