Personal Quaterly 1/2022
52 SERVICE _FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 01 / 22 Akademisches Multitalent Digitalisierung, Diversity und Demografie – zu diesen drei Ds forscht und lehrt Florian Kunze an der Universtität Konstanz. Seine Forschungsdesigns sind außergewöhnlich. Stefanie Hornung, freie Journalistin in Tübingen F ür ihn war es der absolute Jackpot, als 2014 der Ruf der Universität Konstanz auf den Lehrstuhl für Orga- nisational Studies am Fachbereich Politik- und Ver- waltungswissenschaft kam. Denn Florian Kunze hatte es schon 2001 zum Studium der Verwaltungswissenschaften in die Stadt am Bodensee verschlagen. Dass er sich bereits da- mals interdisziplinär mit Führungs- und Personalthemen oder politikwissenschaftlichen Ansätzen auseinandersetzte, prägte seine akademische Laufbahn. Ab 2016 promovierte er am In- stitut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen, wo er anschließend seinen Postdoc machte. Zwei Jahre blieb er noch bei seiner Doktormutter Prof. Dr. Heike Bruch als Assistenzprofessor für Leadership. Dabei pendelte er weiterhin von Konstanz in die Schweiz, nur unterbrochen von einem mehrmonatigen Gastaufenthalt an der Anderson Busi- ness School der University of California Los Angeles (UCLA). „Ich habe den Anspruch, möglichst Kausalitäten im Perso- nalmanagement nachzuweisen – also Effekte von Ursache und Wirkung“, erklärt Florian Kunze. „Dabei denke ich immer die Transferierbarkeit der Ergebnisse in die Praxis mit“, so der Forscher, der freiberuflich für die Cubia AG Unternehmen bei Mitarbeitendenbefragungen wissenschaftlich berät. Als Em- piriker betrachtet er Entwicklungen im Längsschnitt, arbeitet quantitativ und kombiniert moderne Befragungsmethoden mit Sekundärdaten aus dem Finanzwesen oder der Stressfor- schung. Seine Ansätze haben ihm Publikationen in A-Journals und renommierte Preise eingebracht. 2020 wurde er etwa Fi- nalist im Best Paper Award des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre. 2015 holte er den Parasuraman Outstanding Publication Award der Academy of Management für eine Publikation zu Gender und Diversity. 2014 erhielt er den hochdotierten Vontobel-Preis für Altersforschung. Um die Wechselwirkungen seiner drei Forschungsschwerpunkte Di- gitalisierung, Demografie und Diversity zu bündeln, gründete Kunze Ende 2020 das Future of Work Lab, das er seither leitet. Gelder fließen aus den Exzellenz-Clustern der Universität Kon- stanz. Das Forschungsinstitut bekommt aber auch Drittmittel aus der Industrie. Schon in seiner Dissertation ging es um den demografischen Wandel. Für ihn damals zwar nicht unbedingt das heißeste Thema. Aber für die Untersuchung gab es Fördergelder. Kunze glaubt, dass die demografische Entwicklung für Unternehmen an Bedeutung gewinnt. Denn die Belegschaft altert und viele erfahrene Experten gehen in Rente. Wenn Betriebe nicht aktiv mit passenden Instrumenten gegensteuern, könnten Produkti- vität und Wettbewerbsfähigkeit leiden. Die Bedeutung des subjektiven Alters Ansatzpunkte sieht Florian Kunze in der biologischen Alters- forschung und dem „subjektiven Alter“. „Wie alt sichMenschen fühlen, spielt eine viel größere Rolle für ihre Leistungsfähigkeit als ihr chronologisches Lebensalter“, so der 40-Jährige. Und Führung und Personalmanagement habe darauf einen großen Einfluss. Während vermehrter Stress dazu führe, dass Men- schen sich älter fühlten, habe Job Crafting den gegenteiligen Effekt. Darunter versteht er die Möglichkeit, den eigenen Job so zu gestalten, dass er Sinn verspricht und den persönlichen Stärken und Kompetenzen entspricht. Mit Sorge beobachtet er, dass sich in Unternehmen Alterssubgruppen bilden, die sich gegenseitig diskriminieren. In einer aktuellen Studie be- schäftigt sich der Konstanzer Professor deshalb mit der Gefahr von Stereotyping. Häufig holten Unternehmen für die Digita- lisierung junge Leute von außen und ließen Potenzial bei den erfahrenen Beschäftigten liegen. Kausalität von Diversity und Unternehmenserfolg im Blick Florian Kunze untersucht neben dem Alter auch weitere Dis- kriminierungsmerkmale wie das Geschlecht. Aktuell treibt ihn die Bedeutung von Gender Diversity für wirtschaftlichen Erfolg um. Bisher konnte die Forschung nur eine Korrelation zwi- schen finanziellen Entwicklungen eines Unternehmens und Diversity im Topmanagement belegen. Kunze versucht deshalb nun, die sogenannte „Glass Cliff Theory“ der Sozialpsycholo- gie-Professorin Michelle Ryan nachzuweisen – und zwar nicht in einer fiktiven Laborsituation, sondern direkt im Echtfall. Die Theorie besagt, dass Frauen in Vorständen von großen bör- sennotierten Unternehmen vor allem dann zum Zug kommen, wenn eine Krisensituation herrscht. Um das zu überprüfen, hat Florian Kunze gemeinsam mit dem Postdoc und Assistenz- professor an der LMU München Max Reinwald die Fortune 500
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