Personal Quaterly 1/2022
44 STATE OF THE ART _PERFORMANCE PERSONALquarterly 01 / 22 B ereits im Jahr 1913 konnte Ringelmann zeigen, dass die Arbeit in Gruppen zu Produktivitätsverlusten führen kann, damals indem die Zugkraft an einem Seil von Einzelpersonen und von Gruppen gemes- sen wurde. Die Ergebnisse sind heute als Ringelmann-Effekt bekannt und gelten als Beispiel für soziales Faulenzen („so- cial loafing“). Nun gehört Tauziehen nicht unbedingt zum organisationalen Alltag, aber die Frage zur Produktivität von Teams verglichen mit Einzelarbeit ist weiterhin wichtig, ge- rade weil auch gegenteilige Effekte gefunden wurden, häufig als „social facilitation“ beschrieben. Zajonc, Heingartner und Herman (1969) bspw. fanden heraus, dass Kakerlaken schnel- ler laufen, wenn sie dabei von anderen Kakerlaken beobachtet werden. Nun mag der Leser hieraus vorschnell die Vorteilhaf- tigkeit von Großraumbüros ableiten, übersieht dabei aber die etwas differenzierteren Ergebnisse. Bei komplexen Aufgaben können die Artgenossen eher stören. Insgesamt ist die Studienlage zur Leistung von Teams ver glichen mit der Arbeit Einzelner umfangreich und geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Effekte, deren Bedeu- tung je nach Teamaufgabe oder Umfeld variieren kann. Wir möchten in diesem Beitrag deshalb den Stand der Forschung zu Motivationsgewinnen oder -verlusten durch Teamar- beit darstellen. Unsere Ausführungen basieren stark auf einem Beitrag von Torka, Mazei und Hüffmeier (2021), der in der Zeitschrift Psychological Bulletin erschienen ist und die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema in einer Metaanalyse zusammenfasst. Ergänzen möchten wir diese Befunde um weitere Studien, die sich einzelne zusätzliche Facetten gezielt anschauen. Wir beschränken uns dabei auf Motivationseffekte und betrachten nicht die weiteren mög- lichen Effekte bei der Teamarbeit, die z. B. durch Koordinati- onsverluste oder verbesserte Entscheidungsqualität im Team verglichen mit der kumulierten Leistung Einzelner entstehen können, da eine umfassende Darstellung aller Effekte, die auf die Teamleistung wirken können, den Rahmen dieses Bei- trags sprengen würde. Für einen Überblick zu den Erfolgsfaktoren bei der Teamzu- sammenstellung verweisen wir interessierte Leserinnen und Leser auf Biemann und Weckmüller (2012). Von Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz) Wie Teamarbeit gestaltet werden kann, um die Motivation der Teammitglieder zu stärken Wie Teamwork auf die Motivation der Teammitglieder wirken kann Für die Analyse möglicher Effekte von Teamwork auf die Mo- tivation können sog. Erwartung-mal-Wert-Modelle der Mo- tivation herangezogen werden. Diese Modelle unterstellen, dass Individuen die subjektiven Erfolgserwartungen sowie den Wert möglicher Handlungsfolgen betrachten und letzt- lich diejenige Handlungsalternative auswählen, bei denen das Produkt aus Erwartung und Wert maximal ist. Bspw. ist das Motivationspotenzial einer Handlung dann sehr hoch, wenn die Handlung eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit und einen hohen Nutzen besitzt. Wenn Teammitglieder über die eigenen Anstrengungen bei der Teamaufgabe entscheiden, spielen entsprechend diese drei Komponenten eine Rolle: 1. Erwartungen an den Handlungserfolg: Hat ein Teammitglied die Erwartung, dass in der Teamarbeit die Ziele besser (schlechter) erreicht werden können als alleine, wird die Anstrengung bei der Teamarbeit größer (kleiner) sein. 2. Wert der Teamarbeit: Teammitglieder strengen sich mehr (weniger) an, wenn der Wert der Teamergebnisse höher (niedriger) eingeschätzt wird als der Wert der Einzelleis tung. 3. Kosten der Teamarbeit: Die Anstrengung der Teammitglieder hängt vom wahrgenommenen Kosten/Nutzen-Verhältnis ab. Wenn bspw. erwartet wird, dass andere Teammitglieder faulenzen werden, kann dies auch die eigenen Anstren- gungen reduzieren. Diese drei Komponenten können, je nach Teamsetting, zu ei- ner höheren, gleichen oder niedrigeren Anstrengung eines Teammitglieds führen. Für eine Analyse des durchschnitt- lichen Effekts von Teamarbeit auf die Motivation betrachten Torka et al. (2021) insgesamt 622 Einzelergebnisse, von denen 319 eine erhöhte Anstrengung (effort gains) durch eine ge- stiegene Motivation bei der Teamarbeit und 299 Studien eine niedrigere Anstrengung (effort losses) finden. Vier Studien finden keinen Effekt. Insgesamt ergibt sich somit, dass es
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