Personal Quaterly 1/2022
37 01 / 22 PERSONALquarterly und Kollegen im Unternehmen, (2) das informelle Lernen, weil der informelle Kommunikationsweg entfällt, und (3) das Men- toring durch Kolleginnen und Kollegen und die Führungskraft (Cooper/Kurland, 2002). Laut Kane et al. (2021) erhöhten sich darüber hinaus die zufälligen Begegnungen von Mitarbeitenden, die einen oder zwei Tage pro Woche ins Büro zurückkehrten, um circa 25 % im Vergleich zu einer Vollzeittätigkeit im Homeoffice (Kane et al., 2021). Dieser Wandel bei der Zusammenarbeit kann auch die Generierung neuer Ideen bzw. Innovationen beeinflussen (Bockstahler et al., 2020). Denn gerade aus ungeplanten Tref- fen entstehen häufig wertvolle Kontakte, Ideen und Problem- lösungen. Serendipität, das heißt intelligente und kompetente Schlussfolgerungen aus zufälligen Entdeckungen, z. B. von bis- lang nicht bekannten Zusammenhängen, tangiert diesen Sach- verhalt. Derartige Begegnungen schaffen positive Erlebnisse und ermöglichen den Beteiligten die Wahrnehmung eigener Kompetenz (Kreutzer, 2020). Es ist daher offen, welche Aus- wirkungen eine längerfristige Ausweitung von Homeoffice auf den Informationsaustausch, Innovationen und das zwischen- menschliche Miteinander hat. Veränderung von Beziehungsverhältnissen in Teams und in Unternehmen Positive Beziehungen am Arbeitsplatz entsprechen dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und sozialer Unterstützung, sodass sie Arbeitserfahrungen und Mitarbeiterbindung maßgeblich beeinflussen. Demgegenüber lässt längerfris tiges Homeoffice durch das Fehlen der Präsenzkontakte ei- ne Erhöhung der gefühlten Distanz innerhalb eines Teams erwarten. Collins et. al. (2016) konnten in ihrer Studie zei- gen, dass Mitarbeitende im Homeoffice ein stärkeres Indi- vidualisierungsgefühl entwickeln und sich dadurch sozial von anderen Kolleginnen und Kollegen abgrenzen. Zudem nimmt die vorherige Beziehung innerhalb des Kollegiums Einfluss auf die Beziehungsqualität im Homeoffice. Da der Kontakt zu Kollegen im Homeoffice aktiv gesucht werden muss, können Mitarbeitende sich von negativen oder nicht notwendigen Arbeitsbeziehungen bewusst distanzieren. Folg- lich ermöglicht Homeoffice eine Kontaktselektion: Während Mitarbeitende, zu denen die Beziehung emotional als negativ und stressbelastet wahrgenommen wird, gemieden werden, erfolgt eine intensivere Bindung zu Kollegen, die als positive soziale Unterstützung gelten. Die Ausprägung der Beziehung zu Kolleginnen und Kollegen in der Zeit vor der Ausweitung von Homeoffice ist daher ein wichtiges Kriterium für die In- tensität der Beziehungsqualität (Collins et al., 2016). Es ist aus diesem Grund nicht überraschend, dass eine Integration von neuen Kollegen durch Homeoffice erschwert wird. Auch im Beziehungsverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können sich Verän- derungen durch die Arbeit im Homeoffice ergeben. Führungs- kräfte stehen vor der Herausforderung, innerhalb ihres Teams trotz der vorhandenen Distanz für eine hohe Beziehungs- und Arbeitsqualität zu sorgen (Pruisken et al., 2020). Den Erkennt- nissen von Graen und Uhl-Bien im Rahmen ihrer Leader-Mem- ber-Exchange-(LMX)-Theorie (Graen/Uhl-Bien, 1995) zufolge, pflegen Führungskräfte mit einzelnen Teammitgliedern eine unterschiedlich stark ausgeprägte Beziehung. Dabei wird zwi- schen zwei Ausprägungen unterschieden: Mitarbeitende mit einer hohen Beziehungsqualität zur Führungskraft befinden sich in der In-Group und Mitarbeitende mit einer niedrigen Be- ziehungsqualität in der Out-Group. Die Mitarbeitenden eines Teams weisen folglich eine unterschiedliche Nähe zur gleichen Führungskraft auf, die sich im Laufe der Zusammenarbeit ent- wickelt und die sich verändern kann. Vom intensiven Informati- onsaustausch und der gegenseitigen Unterstützung profitieren sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der In-Group als auch die Führungskraft, z. B. durch eine höhere Arbeitszufrieden- heit und besserer Leistung (Graen/Uhl-Bien, 1995). Die Frage ist, ob sich aufgrund der räumlichen Distanz durch die Arbeit im Homeoffice und Führung auf Distanz verschiedene Grup- pen im Team herausbilden, die einen intensiveren oder einen weniger intensiven Austausch zur Führungskraft pflegen. Empirische Studie Die durchgeführte qualitative Studie verfolgte das Ziel he- rauszufinden, welche Erfahrungen Mitarbeitende und Füh- rungskräfte mit Homeoffice und Führung auf Distanz in der Pandemie gesammelt haben. Auf Basis der bestehenden wis- ABSTRACT Forschungsfrage: Welche Erfahrungen sammeln Mitarbeitende und Führungskräfte mit dem Arbeitsmodell Homeoffice und Führung auf Distanz in der Pandemie? Methodik: Qualitative Forschung: teilstandardisierte Leitfadeninterviews Praktische Implikationen: Die Führungsaufgabe bedarf neuer Ansätze, weil informeller Austausch und Kontakte aus dem Büroalltag nicht in das Homeoffice übertragen werden können. Die Beziehungsqualität innerhalb des Unternehmens verändert sich.
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