Personal Quaterly 1/2022
36 PERSONALquarterly 01 / 22 NEUE FORSCHUNG _ARBEITEN AUF DISTANZ D ie Covid-19-Pandemie stellt die Gesellschaft in Deutschland und weltweit in verschiedenen Be- reichen vor Herausforderungen. Durch die Ver- meidung physischer Kontakte zur Verhinderung einer schnellen Ausbreitung des Coronavirus (Blom et al., 2020) mussten Unternehmen kurzfristig Lösungen finden, um die Betriebsabläufe bei gleichzeitiger Beachtung der not- wendigen Hygienevorschriften aufrechtzuerhalten. Arbeiten im Homeoffice - vollständig oder alternierend, das heißt an einigen Tagen pro Woche - ist eine vielfach angewandte Lö- sung (Wieland, 2020) und virtuelle Zusammenarbeit wurde zur neuen Normalität. Es überrascht daher nicht, dass ge- sellschaftlich und politisch diskutiert wird, auch nach der Pandemie digitales Arbeiten auf Distanz in für Homeoffice geeigneten Berufsfeldern stärker zu verankern. Allerdings ist die Umstellung nicht trivial: Neben der Schaffung tech- nischer Voraussetzungen geht es u. a. um die Entgrenzung von Privat- und Berufsleben und die Nutzung von digitalen Tools zur virtuellen Zusammenarbeit, die vielfach neu zu erlernen und zu erproben sind. Bisherige organisatorische und soziale Routinen müssen durch Arbeiten auf Distanz neu konstruiert und verhandelt werden. Räumlich getrenntes Arbeiten wirkt sich ebenso auf die Rolle und Arbeit von Führungskräften aus und stellt diese vor neue Herausforderungen (Müller, 2020). Führung auf Distanz bezieht sich auf die zielgerichtete Führung eines Teams, das räumlich getrennt mithilfe digitaler Kommunikation zusam- menarbeitet (Hertel et al., 2005). Vor allem informelle Kon- takte und zufälliger Informationsaustausch am Arbeitsplatz werden durch diese Arbeitsorganisation eingeschränkt – sie gelten aber als wichtig für den Teamzusammenhalt und ein vertrauensvolles Arbeitsklima (Pruisken et al., 2020). Die flä- chendeckende Ausweitung von Homeoffice verändert somit die Art der Zusammenarbeit und der Kommunikation inner- halb der Unternehmen. Bislang wurden Homeoffice und mobi- les Arbeiten i. d. R. nur von einigen Teammitgliedern im Sinne der beidseitigen Freiwilligkeit (doppeltes Opt-in) genutzt. Pandemiebedingt wurde diese Arbeitsform Führungskräften und Teams „von oben“ ad hoc verordnet. Diese Konstellati- on ist bisher noch wenig erforscht. Wie sich die Arbeit im Beziehungsqualität im Homeoffice: Informelles als Schlüssel zum Erfolg? Von Christoph Avermeyer, Prof. Dr. Heike Schinnenburg und Prof. Dr. Nicole Böhmer (Hochschule Osnabrück) Homeoffice in der Pandemie auf die informelle Kommunika- tion in Unternehmen und auf die Beziehungsqualität unter Kolleginnen und Kollegen und zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften auswirkt, wurde anhand einer qualitativen Studie untersucht. Aus den Ergebnissen wurden Implikati- onen für die Praxis abgeleitet. Folgen des Arbeitens auf Distanz für die Kommunikation Mitarbeitende im Homeoffice weisen deutlich weniger phy- sische Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen im Unter- nehmen auf, sodass Arbeiten von zu Hause in der Pandemie eine signifikante Kontaktreduzierung bedeutet (van der Lippe/ Lippényi, 2020). Fehlende Kontakte führen zu einer weniger stark ausgeprägten Vernetzung untereinander. Der Raum für informelle Kommunikation am Arbeitsplatz, wie bspw. durch Begegnungen in der Teeküche, am Kopierer oder in ge- meinsamen Pausen, ist durch die Homeoffice-Situation nicht gegeben (Dahik et al., 2020). Je mehr Mitarbeitende sich im Homeoffice befinden, desto geringer wird der Informations- austausch (van der Lippe/Lippényi, 2020). Die Qualität des Informationsflusses ist laut einer Studie des Fraunhofer In- stituts auch abhängig von der IT-Ausstattung, einer auf Ver- trauen basierenden Führungskultur sowie der Etablierung von Homeoffice-Angeboten in der Unternehmenskultur (Bockstah- ler et al., 2020). Es zeigt sich, dass die Kollaboration unter den Kollegen im Homeoffice schwierig umzusetzen ist (Dahik et al., 2020). Das Homeoffice-Angebot ist auch mit negativen Konsequenzen für die Mitarbeitenden verbunden, die im Büro verbleiben, da sich auch für jene Mitarbeitende die Anzahl an physischen Begegnungen reduziert (Mas/Pallais, 2020). Da spontane gemeinsame Aktivitäten und persönlicher Austausch fehlen, sinkt laut einer Studie von Rockmann und Pratt die Bereitschaft, vor Ort zu arbeiten; Homeoffice breitet sich daher aus, weil die Büroarbeit als weniger attraktiv empfunden wird und der Zusammenhalt fehlt (Rockmann/Pratt, 2015). Cooper und Kurland weisen in ihrer Studie, die vor der Pan- demie entstand, auf drei Aktivitäten hin, die Homeoffice-Mitar- beitende verpassen, wenn sie sich durchgängig im Homeoffice befinden und keine oder nur wenig Präsenz im Büro zeigen: (1) die zwischenmenschliche Vernetzung mit anderen Kolleginnen
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