Personal Quaterly 1/2022
PERSONALquarterly 01 / 22 18 SCHWERPUNKT _ARBEITGEBERBEWERTUNGEN A ufgrund demografischer Entwicklungen besteht in einzelnen Berufen und Regionen ein Fachkräf- temangel (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2019, S. 6). So lassen sich bspw. Fachkräfteengpässe im Bereich Softwareentwicklung und Energietechnik feststellen, aber auch Gesundheits- und Pflegeberufe sowie Berufe im Trans- portwesen sind betroffen. Bedingt durch den Fachkräftemangel befinden sich Arbeitgeber schon seit Längerem in einem ver- stärkten Wettbewerb um qualifizierte Bewerber, weshalb eine Positionierung als attraktiver Arbeitgeber an Bedeutung ge- winnt (vgl. Rode/Süß, 2015, S. 352). Eine Schlüsselrolle imRah- men dieser Positionierung kommt dem arbeitgeberbezogenen Wissen von (potenziellen) Bewerbern zu, denn es bestimmt, ob (potenzielle) Bewerber einen Arbeitgeber als attraktiv wahr- nehmen, eine Bewerbung versenden oder schlussendlich ein Arbeitsplatzangebot annehmen. Um das arbeitgeberbezogene Wissen von (potenziellen) Be- werbern in ihrem Sinne zu beeinflussen, steht Arbeitgebern eine Vielzahl von direkt steuerbaren Informationsquellen zur Verfügung. Dazu zählen z. B. Stellenanzeigen und Karriere- webseiten (vgl. z. B. Baum/Kabst, 2014, S. 354). Seitens der Rekrutierungsforschung wird jedoch darauf hingewiesen, dass (potenzielle) Bewerber nicht nur durch Informationen beeinflusst werden, die von Arbeitgebern aktiv zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass (poten- zielle) Bewerber auch Informationen von Dritten, wie Familie, Freunde und Bekannte, in die Arbeitgeberwahl miteinbeziehen (vgl. z. B. van Hoye/Lievens, 2007, S. 2025). Spielte sich diese als Word-of-Mouth-Kommunikation (dt. Mund-zu-Mund-Propaganda) bezeichnete Form des Informa- tionsaustauschs lange Zeit vornehmlich von Angesicht zu Angesicht ab, erfolgt sie in jüngerer Zeit zunehmend als elek- tronische Word-of-Mouth-Kommunikation über das Internet. Begünstigt wird die Entstehung elektronischer Word-of-Mouth- Kommunikation dabei durch die Verbreitung von Social Media (vgl. Dineen et al., 2019, S. 195-196). Diese ermöglichen es, dass Nutzer arbeitgeberbezogene Inhalte erstellen und einer Vielzahl von Empfängern zugänglich machen. So findet elek- tronische Word-of-Mouth-Kommunikation sowohl in beruf- lichen als auch privaten sozialen Netzwerken statt und wird Elektronische Word-of-Mouth-Kommunikation: Wie Arbeitgeber damit umgehen Von Rouven Kollitz und Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) zudem insbesondere durch Arbeitgeberbewertungsportale (z. B. Kununu) in ihrer Entstehung gefördert. Aktuelle Studien zeigen, dass positive Informationen in Form elektronischer Word-of-Mouth-Kommunikation die von (poten- ziellen) Bewerbern wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität erhöhen (vgl. z. B. Evertz/Kollitz/Süß, 2021). Gegenteiliges zeichnet sich hingegen imHinblick auf negative Informationen ab (vgl. z. B. Stockman/van Hoye/da Motta Veiga, 2020). Ange- sichts dieser Ergebnisse und der in vielen Fällen gegebenen Be- obachtbarkeit elektronischer Word-of-Mouth-Kommunikation empfiehlt die Forschung, dass Arbeitgeber Maßnahmen ergrei- fen, um diese Informationsquelle für sich zu nutzen. So ermu- tigt die Forschung Arbeitgeber dazu, Online-Konversationen auf Arbeitgeberbewertungsportalen zu beobachten und die gesammelten Informationen in ihr Arbeitgeberimagemanage- ment zu integrieren (vgl. z. B. Stockman/van Hoye/da Motta Veiga, 2020, S. 40). Darüber hinaus existieren Empfehlungen, dass Arbeitgeber positive elektronische Word-of-Mouth-Kom- munikation aus den eigenen Mitarbeiterreihen anregen (vgl. z. B. Evertz/Kollitz/Süß, 2021, S. 3447) und auf bereits existie- rende elektronische Word-of-Mouth-Kommunikation mittels geeigneter Stellungnahmen reagieren (vgl. z. B. Könsgen et al., 2018, S. 174). Ob Arbeitgeber in der Praxis diesen Empfehlungen folgen, ist bisher jedoch weitgehend unklar. So existieren bisher keine empirischen Belege dafür, inwieweit spezifische Praktiken zum Umgang mit elektronischer Word-of-Mouth-Kommunikation von Arbeitgebern angewendet werden, was ihre Anwendung antreibt und welche Ergebnisse dadurch erzielt werden. Dieses Forschungsdefizit ist kritisch, da es zum einen Arbeitgeber da- ran hindert, effektiv mit elektronischer Word-of-Mouth-Kom- munikation umzugehen. Rekrutierungsziele werden dadurch möglicherweise verfehlt. Zum anderen führt die fehlende em- pirische Evidenz auf organisationaler Ebene dazu, dass der Re- krutierungsforschung die Ausrichtung ihrer weiteren Schritte hin zu einem besseren Verständnis des Umgangs mit elektro- nischer Word-of-Mouth-Kommunikation erschwert wird. Vor diesem Hintergrund besteht das Ziel des Beitrags darin, den arbeitgeberseitigen Umgang mit elektronischer Word-of- Mouth-Kommunikation zu analysieren. Im Rahmen einer em-
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