42 PERSONALquarterly 04 / 22 NEUE FORSCHUNG_HYBRIDES ARBEITEN Eine symptomatische Situation für die natürliche Faultline wurde wie folgt beschrieben: „Es gibt eine Art natürliche Faultline (…), also eine natürliche Grenze, die sich durch das Team zieht an der Stelle, an der der Bildschirm steht (…)“ [Experte 1]. Eine charakteristische Situation für schlechte Akustik wurde vom Teilnehmenden 2 folgendermaßen dargestellt: „Das Thema Akustik ist vielleicht auch ebenso eins. […] Das ist ja anders zu steuern. Meine Stimme kann ich heben und senken und so weiter. Und dann aber zusätzlich für jemand anderen noch am Lautstärkeregler rumdrehen, sodass es für alles passt, für alle eingepegelt ist, da braucht man eigentlich einen Toningenieur dazu.“ Teilnehmerin 3 hat als Beispiel für den geringen informellen Austausch in einem hybriden Meeting die folgende Situation beschrieben: „Das hat ja ganz viel mit emotionaler Nähe [zu tun], in der Pausensituation mal mit jemandem reden, […] dass konnte da alles nicht stattfinden.“ Die andere auftretende Situation war, dass die MeetingLeitung remote zugeschaltet war, während mindestens eine andere Gruppe von Teilnehmenden in Präsenz teilnahm. Das Hauptproblem war die Wahrnehmungsschwierigkeit über die Dynamik innerhalb der Präsenzteilnehmenden. Dahingehend formulierte ein Teilnehmender Folgendes aus Perspektive der Meeting-Leitung: „Die haben das Mikro aus, aber ich sehe sie reden, dann frage ich sie: „Hey, was beschäftigt euch?“ Und dann sagen sie: „Nee, nee, alles gut.“ Und man bekommt von denen, die im Raum sitzen (…), ganz wenig mit.“ Die identifiziertenHerausforderungen der Fokusgruppe wurden im Nachgang weiter zusammengefasst und kategorisiert. Der Hauptgrund dafür war, dass diese teilweise Überschneidungen hatten (z. B. geteilte Aufmerksamkeit und schwache Konzentration). Im Wesentlichen wurden unterschiedliche Geltungsbereiche einzelner Herausforderungen erarbeitet. Anschließend wurde versucht, die Herausforderungen dort einzuordnen. Geltungsbereiche umfassten bspw., ob der Herausforderung vor dem Meeting begegnet werden musste (wie z. B. technische Infrastruktur) oder ob die Herausforderung die Gruppe (wie z. B. unklare Atmosphäre) oder Individuen betraf (wie z. B. schwache Konzentration). Auf Basis dessen wurden die folgenden vier Kategorien gebildet: (1) Interaktionsproxemik, (2) informelle Kommunikation, (3) Gruppenatmosphäre und (4) Fokus. Die Kategorie Interaktionsproxemik begegnet den Herausforderungen, welche vor dem Meeting erfüllt sein müssen. Informelle Kommunikation stellt eine Kategorie dar, die sich auf Gruppenbasis vor und nach dem hybriden Meeting abspielt. Gruppenatmosphäre umfasst Herausforderungen, die auf Gruppenbasis innerhalb des Meetings stattfinden. Fokus konzentriert sich auf Herausforderungen, welche auf Individualebene während des Meetings auftreten. Erarbeitete Herausforderungen können zudem in mehrere Kategorien eingeordnet werden, wenn diese nicht eineindeutig sind. Die genaue Einordnung der jeweiligen Herausforderungen ist in Abbildung 1 abgebildet. Vier Herausforderungen von hybriden Meetings an die Meeting-Leitung Die vier verschiedenen Kategorien weisen jeweils in hybriden Meetings substanzielle Unterschiede zu Präsenz- und virtuellen Meeting-Formaten auf. Diese Kategorien aus Abbildung 1 fokussieren sich auf die Herausforderungen, die entstehen, wenn die Meeting-Leitung in Präsenz anwesend ist (vgl. Abb. 2), da dies die deutlich häufigere Konstellation ist und die Fokusgruppenteilnehmenden dahingehend Erfahrung aufwiesen. Um auf die Analogie des Tourguides zurückzukommen, lässt sich schlussfolgern, dass sich für einen Tourguide vor allem die Vorbereitung und Durchführung der Tour verändern. Um die neue Tour erfolgreich zu gestalten, sind Anpassungen des eigenen Verhaltens sowie der Rahmenbedingungen notwendig. Herausforderung Interaktionsproxemik Interaktionsproxemik beschreibt den gemischten Interaktionsraum aller Teilnehmenden, der durch das Einrichten der Infrastruktur (räumlich und technisch) die Zusammenarbeit prägt. Die Ausstattung der Räumlichkeiten vor Ort erleichtert und hindert die Zusammenarbeit, ebenso wie die Visualisierungsmöglichkeiten. Beide Faktoren wirken wechselseitig auf die Zusammenarbeit, sodass beidseitig sichergestellt werden muss, dass diese ermöglicht wird. Die Herausforderungen für die Meeting-Leitung ergeben sich dementsprechend neben der Sicherstellung der notwendigen Infrastruktur aus einer Vielzahl von koordinierenden Tätigkeiten. Neben diesen Tätigkeiten vor demMeeting ist die Meeting-Leitung in die Moderation und die Entscheidungsfindung während des Meetings eingebunden. ImWesentlichen wirken zwei Faktoren unterstützend, um die möglichen Diskrepanzen aufgrund der Interaktionsproxemik zu begrenzen, nämlich die Überprüfung der Kooperationsvoraussetzungen und die Verteilung eindeutiger Besprechungsaufgaben. Um die Kooperationsvoraussetzungen zu überprüfen, sollte vor einem hybriden Meeting Zeit für einen kurzen Probelauf der technischen Infrastruktur eingeplant werden. Hierbei sollte sichergestellt werden, dass sowohl die Raum- als auch die Onlinetechnik funktioniert, und nach weiteren Voraussetzungen geschaut werden wie etwa, ob jeder Platz über ein Mikrofon verfügt. Zudem wird festgelegt und überprüft, wie die Visualisierung (z. B. der Ergebnisse) im Meeting stattfinden soll. Wichtig hierbei ist, diese sowohl für präsent als auch remote Anwesende bestmöglich zu gestalten (Saatçi et al., 2019). Eine Möglichkeit ist etwa die Visualisierung auf einem digitalen Whiteboard, welches präsent anwesende Teilnehmende auf einem zweiten Screen im Raum betrachten können. Außerdem sollte die Meeting-Leitung vor dem Meeting diverse Aufgaben berücksichtigen und diese auf mehrere Funktionen aufteilen
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