Personal quarterly 4/2022

36 PERSONALquarterly 04 / 22 NEUE FORSCHUNG_HOMEOFFICE WÄHREND DER PANDEMIE Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass sich die wahrgenommene Produktivität im Laufe der Zeit immer weiter dem Niveau vor der Pandemie angenähert hat. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Stress stimulierend wirken und die Leistungsfähigkeit kurzfristig auch erhöhen kann. Langfristig führt Stress bei Beschäftigten jedoch in der Regel zu einem Motivations- und Leistungsrückgang (Süß/Klingenberg, 2021). Schlussfolgerungen und Ausblick Die nachfolgenden Schlussfolgerungen lassen sich einerseits auf Basis der Ergebnisse der Panelstudie formulieren, andererseits wird auch „über den Tellerrand hinaus“ geblickt. Die Produktivität und die Wahrnehmung der Arbeit im Homeoffice unterscheiden sich zwischen Individuen und im Zeitablauf. Es gibt erste Hinweise darauf, dass diese Unterschiede auf die individuelle Segmentationspräferenz, also dem Wunsch, die Bereiche Arbeit und Privatleben zu trennen, zurückzuführen sein könnten (Kreiner, 2006). Es kann außerdem an der Persönlichkeit, der familiären Situation, den Wohnbedingungen sowie nicht zuletzt der Art der Arbeit liegen, ob jemand gerne und produktiv im Homeoffice arbeitet, wenngleich sich dies nicht direkt aus den Daten ergibt. Eine einheitliche Gestaltung ist für Unternehmen jedoch im Allgemeinen schwierig bis unmöglich. Vielmehr kommt es nicht nur darauf an, was das Unternehmen bevorzugt, sondern auch, was Beschäftigte erwarten. Klar ist aber auch: Viele Wissensarbeitende werden aus der Pandemie mitnehmen, dass Arbeit von zu Hause aus funktionieren kann. Unternehmen haben erkannt, dass bestimmte Arbeiten im Homeoffice durchaus produktiv erfolgen können. Infolgedessen werden sich vermutlich Mischmodelle mit ein paar Tagen im Homeoffice und den anderen Tagen im Betrieb durchsetzen. Dies ermöglicht persönlichen sozialen Austausch genauso wie das konzentrierte Arbeiten zu Hause. Erforderlich dafür werden neue Kommunikations- und Führungsroutinen in den Unternehmen, eine stärkere Vertrauenskultur und neue Formate des digitalen und persönlichen Austauschs sein. Angesichts der skizzierten Vorteile kann das in der Politik immer wieder diskutierte Recht auf Homeoffice für alle Beteiligten Potenziale haben, insbesondere wenn man sich der Voraussetzungen bewusst ist, die erfüllt sein müssen, damit die Arbeit von zu Hause aus produktiv und gesund ist. Dabei sollten sowohl die Anforderungen und Präferenzen der Unternehmen als auch die individuellen Erwartungen der Beschäftigten Berücksichtigung finden. Ein pauschaler Zwang wäre sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer wenig zielführend. So sollte aus dem individuellen Anspruch auf Homeoffice für keine beteiligte Partei eine unreflektierte Pflicht werden. Im Zuge der Ermöglichung des Homeoffice sollten aber auch die Herausforderungen oder Gefahren, die mit der Arbeit im Homeoffice verbunden sein können, Berücksichtigung finden. Es steht zu befürchten, dass einige Individuen im Homeoffice Gefahr laufen, schlechtere Arbeitsbedingungen als im Betrieb zu haben. Das gilt zum einen für den ergonomisch nicht optimalen oder teilweise sogar fehlenden Arbeitsplatz, zum anderen für die häufig zu beobachtende Selbstausbeutung hinsichtlich einer Erweiterung der Arbeitszeiten. Ausbleibende Fahrtzeiten investieren viele Mitarbeiter in die Arbeit, oft unter dem Verzicht auf adäquate Pausen. Das erhöht kurzfristig die Produktivität, ist aber langfristig potenziell gesundheitsschädlich und produktivitätsreduzierend. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Covid-19-Pandmie einen Einfluss auf das Arbeiten im Homeoffice hatte. Diese angestoßenen Veränderungen werden die Arbeitswelt auch dann noch beschäftigen, wenn die Pandemie überstanden ist. 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 T1 T2 T3 Arbeitszufriedenheit 5,06 5,04 4,98 Abb. 4: Entwicklung der Arbeitszufriedenheit Quelle: Eigene Darstellung Skala: 1-7

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