Personal quarterly 4/2022

32 PERSONALquarterly 04 / 22 NEUE FORSCHUNG_HOMEOFFICE WÄHREND DER PANDEMIE Die Covid-19-Pandemie hat das gesellschaftliche und öffentliche Leben stark beeinflusst und auch das Arbeitsleben verändert. Digitale Kommunikation, Homeoffice und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sind Themen, die durch die Pandemie einen erheblichen Bedeutungszuwachs erhalten haben. Der Betrieb ist für viele Beschäftigte nach wie vor der Ort, an dem klassischerweise gearbeitet wird. Entwicklungen in Richtung einer Arbeit im Homeoffice oder sogar in Richtung mobiler Arbeit gab es aber schon vor der Pandemie. Die während der Pandemie aufgekommenen Schutzmaßnahmen haben diese Entwicklungen beschleunigt: Nach einer repräsentativen Umfrage arbeitet seit Beginn der Covid-19-Pandemie fast die Hälfte aller Berufstätigen in Deutschland zumindest teilweise von zu Hause aus, jeder fünfte Beschäftigte sogar erstmals (Bitkom, 2020). Zuvor waren in Deutschland lediglich zwischen 12 und 24 % der Beschäftigten im Homeoffice tätig (Bonin u. a., 2020). Der Zuwachs ist vor allem im Mittelstand zu beobachten. So gibt über ein Drittel aller Mittelständler an, für die Belegschaft pandemiebedingt verstärkt flexible Arbeitszeiten (33 %) und -orte (36 %) zu nutzen (Abel-Koch, 2020). Dennoch ist Homeoffice nicht für alle Beschäftigten, sondern Schätzungen zufolge nur in 56 % aller Berufe möglich (Alipour u. a., 2021). Begünstigt wird es durch die Optionen, die die Digitalisierung für ortsflexible Arbeit bietet. Der Wertewandel, mit dem u. a. der Wunsch nach flacheren Hierarchien und individualisierten Arbeitszeiten und Arbeitsweisen einhergeht, flankiert diese Entwicklungen. Hinzu kommt, dass auch Unternehmen nach immer mehr Flexibilität und Agilität streben. Stellenweise münden die skizzierten Entwicklungen in die Vision des sog. New Work, beschrieben als eine Arbeit, in der sich das Individuum verwirklichen kann und die auf flexible Kollaboration und Kooperation ausgerichtet ist. Mit dem orts- und zeitflexiblen Arbeiten beschäftigt sich die Personalforschung bereits seit Jahrzehnten. Für die Arbeit von zu Hause aus hat sich weitgehend der Begriff der Telearbeit bzw. des Homeoffice etabliert. Nach § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung sind Telearbeitsplätze „vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Homeoffice – aktuelle Erkenntnisse zu Produktivität und arbeitsbezogenen Wahrnehmungen Von Univ.-Prof. Dr. Stefan Süß (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Dr. Sascha Ruhle (Tilburg University) und René Schmoll (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat“. Demgegenüber räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei der mobilen Arbeit die Möglichkeit ein, mithilfe von IKT ortsunabhängig, etwa im Café oder anderswo von unterwegs, zu arbeiten. Während diese Unterscheidung aus arbeitsrechtlicher Perspektive von großer Relevanz ist, differenziert die Forschung zu flexibler Arbeit nur sehr selten zwischen der Tätigkeit an fest eingerichteten Telearbeitsplätzen und mobiler Arbeit. Jedoch wird vermehrt auf Probleme hinsichtlich einer teilweise suboptimalen ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung imRahmen mobilen Arbeitens hingewiesen. Die Forschung lieferte schon vor der Pandemie Hinweise darauf, dass die Arbeit aus dem Homeoffice für Beschäftigte und Unternehmen verschiedene Konsequenzen hat, etwa für die Produktivität, die wahrgenommene Arbeitgeberattraktivität, die Vereinbarkeit zwischen Berufs- und Privatleben oder das Wohlbefinden der Beschäftigten (Schmoll/Süß, 2019). Diese Erkenntnisse wurden zum Anlass genommen, im Zuge der pandemiebedingten vermehrten Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice eine Panelstudie durchzuführen. Ziel der Erhebung war es zu untersuchen, ob sich bei Beschäftigten im Rahmen der Covid-19-Pandemie Veränderungen hinsichtlich der selbsteingeschätzten Produktivität sowie arbeitsbezogener Wahrnehmungen ergeben haben. Empirische Studie Im Zuge der Panelstudie wurden Beschäftigte zu arbeitsbezogenen Wahrnehmungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie befragt. Dabei handelt es sich überwiegend um sog. Wissensarbeitende. An der ersten Datenerhebung im April 2020 (T1) nahmen 1.291 Beschäftigte teil. Diese gaben auch Ex-Post-Einschätzungen zur Zeit vor der Pandemie (T0) ab. Zum zweiten Messzeitpunkt im September 2020 (T2) verblieben davon 301 Personen, im April 2021 (T3) noch 194 Beschäftigte. Für diese liegen damit Daten zu drei Messzeitpunkten in verschiedenen Phasen der Pandemie vor: Während im April 2020 zu Beginn der Pandemie zahlreiche Beschäftigte erstmals, oft unfreiwillig und ohne Vorbereitung, ins Homeoffice wechselten, waren zahlreiche Beschäftigte im Laufe des Sommers 2020 ganz oder

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