Personal quarterly 4/2022

PERSONALquarterly 04 / 22 16 SCHWERPUNKT_PEOPLE MANAGEMENT Die Gewinnung von Mitarbeitenden spielt eine zentrale Rolle im Wachstumsprozess von Start-ups und ist gleichzeitig eine schwierige Aufgabe für rekrutierende Gründerinnen und Gründer. Im Vergleich zu etablierten Unternehmen sind Arbeitsplätze in Start-ups in der Regel durch geringe Vergütung, hohe Arbeitsplatzunsicherheit und lange Arbeitszeiten gekennzeichnet, was die Arbeit in einem Start-up aus der Sicht von potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern weniger attraktiv machen kann. Erste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Arbeitgeberattraktivität von Start-ups erhöht werden kann, indem die Vorteile des Arbeitens in Start-ups im Rekrutierungsprozess authentisch dargestellt werden, z. B. das gemeinschaftliche Teamklima oder die frühzeitige Zuweisung von Verantwortlichkeiten (Tumasjan et al., 2011). Allerdings gibt es nach wie vor wenig Forschung zum Thema Start-up-Recruiting. Zudem lassen sich Forschungserkenntnisse zur Personalgewinnung in anderen Unternehmensformen nicht einfach in den Startup-Kontext übertragen. Um besser zu verstehen, wie Gründerinnen und Gründer Mitarbeitende für ihr Start-up gewinnen und dabei die Besonderheiten des Start-up-Kontextes berücksichtigen können, ist weitere Forschung an der Schnittstelle Entrepreneurship und Recruiting notwendig. Daher ist es Ziel dieser Studie, Wissenslücken an dieser Schnittstelle zu schließen und relevante Impulse für Forschung und Praxis zu setzen. Wir haben untersucht, wie Gründerinnen und Gründer, die rekrutieren, wahrgenommen werden und wie das die Arbeitgeberattraktivität des Start-ups beeinflusst. Wahrgenommene Authentizität und Rollenkongruenz Für Gründerinnen und Gründer ist es von grundlegender Bedeutung, authentisch wahrgenommen zu werden. Authentizität hilft ihnen zu signalisieren, dass das von ihnen geschaffene Arbeitgeberimage ihres Start-ups realistisch ist (Wilhelmy et al., 2016). Bewerberinnen und Bewerber, die Gründerinnen und Gründer authentisch wahrnehmen, ziehen häufig positive Rückschlüsse auf organisationale Merkmale wie ein vertrauensvolles Arbeitsklima im Start-up. Dadurch kann wahrgenommene Authentizität zur Steigerung der Attraktivität des Start-ups als Arbeitgeber beitragen. Rekrutierung in Start-ups: die Rolle von Führungsstil und Stereotypen Von Dr. Biljana Rudic (Technische Universität München), Dr. Sylvia Hubner-Benz (Freie Universität Bozen) und Prof. Dr. Matthias Baum (Universität Bayreuth) Personen wirken authentischer, wenn sie als „passend“ zu ihrer Rolle wahrgenommen werden, also „kongruent“ zu ihrer Rolle erscheinen. Führungskräfte werden besser bewertet, wenn sie sich konsistent zu Erwartungen verhalten (Johnson et al., 2008), während Bewertungen bei einer Inkongruenz zwischen den Erwartungen und dem tatsächlichen Verhalten durchschnittlich niedriger ausfallen (Eagly/Karau, 2002). Auch bei der Personalgewinnung hat sich gezeigt, dass eine Übereinstimmung mit Erwartungen seitens potenzieller Bewerberinnen und Bewerber positive Auswirkungen haben kann (Baum et al., 2016). Die Wahrnehmung der Kongruenz zwischen Gründerinnen und Gründern und ihrer Rolle wird durch Stereotype beeinflusst. Stereotype beschreiben gesellschaftliche Erwartungen darüber, welche Eigenschaften Menschen in bestimmten sozialen Rollen haben, wie sie sich verhalten und wie sie sich verhalten sollten. So wird bspw. angenommen, dass sich Eigenschaften von Führungskräften stark mit Eigenschaften von Männern überschneiden, aber weniger mit Eigenschaften von Frauen. Von Führungskräften und Männern im Allgemeinen wird bspw. erwartet, dass sie durchsetzungsfähig und dominant sind, während von Frauen im Allgemeinen eher erwartet wird, dass sie mitfühlend und hilfsbereit sind (Eagly et al., 2020). Wenn die Eigenschaften einer Person mit dem Stereotyp übereinstimmen (wie bei Männern in Führungsrollen), passen sie also zu den gesellschaftlichen Erwartungen. Das heißt, Gründerinnen und Gründer werden wahrscheinlicher als „kongruent“ und damit authentischer wahrgenommen, wenn sie dem „Gründerstereotyp“ entsprechen, da sie dann zu den Erwartungen passen. Dieser Stereotyp umfasst Verhaltensweisen und Eigenschaften, die zum Start-up-Kontext passen: eine Person mit unternehmerischem Führungsstil, die gleichzeitig dem Stereotyp entspricht, jung und männlich zu sein (Rudic et al., 2021). Unternehmerische Führung: ein passender Führungsstil im Start-up-Kontext Start-ups agieren in der Regel in einem sich schnell verändernden, innovativen und unsicheren Umfeld. Dieses Umfeld erfordert „unternehmerische Führung“ (Renko et al., 2015), die darauf abzielt, dass Mitarbeitende unternehmerische Chan-

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