Personal quarterly 4/2022

PERSONALquarterly 04 / 22 10 SCHWERPUNKT_PEOPLE MANAGEMENT Stress am Arbeitsplatz birgt sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher Ebene erhebliche Risiken. Der Begriff „Stress“ bezeichnet hierbei die psychischen Belastungen im beruflichen und privaten Umfeld (Stressoren) und das individuelle Stressempfinden als Reaktion auf diese Belastungen (Ganster/Rosen, 2013). Andauernde psychische Belastung und Stressempfinden bei der Arbeit wirken sich negativ auf die Zufriedenheit und Produktivität von Mitarbeitenden aus und können zu langfristigen physischen und psychischen Krankheiten und entsprechenden Arbeitsausfällen führen (Ganster/ Rosen, 2013; Gilboa et al., 2008). Die Auswirkungen von Stress am Arbeitsplatz zeigen sich auch in der Praxis: Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse (2021a) nennen die Befragten ihre Arbeit als Hauptursache für ihren stetig ansteigenden Stress. Zudem nahmen die Ausfallzeiten vonMitarbeitenden aufgrund psychischer Krankheiten in den vergangenen Jahren immer mehr zu (DAK-Gesundheit, 2022; Techniker Krankenkasse, 2021c). Spätestens seit der Coronapandemie sind psychische Belastungen und Stress bei der Arbeit zu einer großen Herausforderung auf gesellschaftlicher, betrieblicher und individueller Ebene geworden (Techniker Krankenkasse, 2021b). In Anbetracht der weitreichenden Konsequenzen von Stress am Arbeitsplatz ist es im Interesse von Unternehmen, präventiv gegen Stress vorzugehen, um die Gesundheit und Produktivität ihrer Mitarbeitenden zu schützen. Unterstützen kann hierbei die Einführung von stresspräventiven Maßnahmen, die sich in primäre und sekundäre Maßnahmen unterteilen lassen (Tetrick/ Winslow, 2015). Primäre Maßnahmen konzentrieren sich überwiegend auf Stressoren im Arbeitsumfeld, die Mitarbeitende psychisch belasten können. Die bekannteste primäre Maßnahme zur Stressprävention ist die Gefährdungsbeurteilung Psyche. Diese umfasst eine strukturierte Analyse des Arbeitsumfelds, die Unternehmen bei der Identifikation von Stressoren wie der Entwicklung von Maßnahmen für die Gestaltung eines stressfreieren, gesundheitsfördernden Arbeitsumfelds unterstützt. Die regelmäßige Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung Psyche ist gesetzlich vorgeschrieben (ArbSchG, 1996). Maßnahmen der sekundären Stressprävention befassen sich insbesondere mit dem persönlichen Stressempfinden von Mitarbeitenden. Hier können Stressmanagementtrainings oder persönliche Wie Stressprävention in Kleinst- und Kleinunternehmen unterstützt werden kann Von Johanna Kuske (Universität zu Köln), Dr. Matthias Schulz (Universität zu Köln), Prof. Dr. Florian B. Zapkau (Wirtschaftsuniversität Wien) und Prof. Dr. Christian Schwens (Universität zu Köln) Coachings dabei helfen, gelassener mit Stress im Arbeitsalltag umzugehen. Typische Inhalte sind dabei das Erlernen von Coping-Strategien und Entspannungstechniken. Trotz der schwerwiegenden Folgen von Stress amArbeitsplatz, der gesetzlichen Verpflichtung zur regelmäßigen Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung Psyche und des vielfältigen Angebots an stresspräventiven Maßnahmen gehen insbesondere Kleinst- und Kleinunternehmen (KKU) selten bis gar nicht gegen Stress am Arbeitsplatz vor (Beck/Lenhardt, 2019; EU-OSHA, 2018). Konkret zeigt eine Umfrage zur Evaluation der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA, 2018), dass nur 4 % der Kleinstunternehmen und 7 % der Kleinunternehmen in Deutschland eine vollständige Gefährdungsbeurteilung Psyche durchführen und somit den Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes entsprechen (Beck/Lenhardt, 2019). Laut dem Institut für Mittelstandsforschung sind 97 % der Unternehmen in Deutschland KKU (Braun/Kay, 2021). Diese beschäftigen wiederum ungefähr ein Drittel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und über die Hälfte der geringfügig entlohnten Beschäftigten. Somit betrifft die geringe Verbreitung von Stressprävention nicht nur den Großteil der Unternehmen, sondern auch einen erheblichen Anteil der Beschäftigten in Deutschland. Unternehmer/-innen (wie z. B. Geschäftsführer/-innen, Gründer/-innen oder Eigentümer/-innen) sind die zentralen und oft einzigen Personen, die in KKU Entscheidungen treffen. Gleichzeitig sind sie als Arbeitgeber/-innen dafür verantwortlich und gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Mitarbeitenden vor den negativen Konsequenzen von Stress bei der Arbeit zu schützen. Somit ist ihre Perspektive essenziell, um die geringe Verbreitung von Stressprävention in KKU zu erklären und zu verbessern. Einer aktuellen Studie zufolge betonen Unternehmer/-innen, dass es ihnen insbesondere wegen knapper Ressourcen schwerfällt, zeitliche, finanzielle und personelle Mittel für die Einführung von stresspräventiven Maßnahmen aufzubringen (Pavlista et al., im Druck). Hinzukommt, dass das Thema Stressprävention von Unternehmer/-innen, die oft allein für die Führung ihres Unternehmens und Personals verantwortlich und voll ins Tagesgeschäft eingebunden sind, selten priorisiert wird. Umso wichtiger ist es ein Verständnis zu erlangen, wie Unternehmer/- innen von der Wichtigkeit von Stressprävention überzeugt und

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