Personal Quarterly 1/2021
9 01/21 PERSONALquarterly Virtual-Reality-Anwendungen räumliche Distanz in Teams kompensieren können und sogar zu einer höheren Teamver- bundenheit führen als in traditionellen Teams. Auch wenn man vor übertriebenen Erwartungen warnen muss, so bieten diese Entwicklungen großes Potenzial für die Unterstützung und Entlastung von Beschäftigten – vorausgesetzt, die Entwick- lung orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen. Inves tieren sollten Unternehmen aber auch in die Sicherheit der digitalisierten Abläufe. Gerade bei flexibler Arbeit von unter- schiedlichen Orten aus steigt das Risiko von Sicherheitslücken. Neben technischen Lösungen braucht es hier ein angemes- senes Risikobewusstsein der Beschäftigten. PERSONALquarterly: Haben Sie auch Empfehlungen zum virtuellen Arbeiten von Berufsgruppen, die gerade besonders im Fokus stehen, z. B. Lehrerinnen und Lehrer? Wie sieht hier der optima- le Mix an Präsenz und Virtualität aus? Wie kann man relativ schnell von Präsenz auf Virtualität wechseln? Guido Hertel: Grundsätzlich sollte Schülerinnen und Schülern ein reflektierter und aufgabenangemessener Umgang mit digitalen Medien vermittelt werden, auch in Bezug auf Zeit- und Selbst- management. In der Berufsgruppe der Lehrerinnen und Lehrer gibt es aktuell eine rege, aber auch kontroverse Diskussion der zunehmenden Digitalisierung als Folge der Corona-Pandemie. Es gibt bereits sehr gute didaktische Konzepte für die Kombi- nation digitaler Angebote, bspw. zur Vor- und Nachbereitung von Inhalten, und Präsenzunterricht, bspw. für den Austausch und für wichtige soziale Lernprozesse. Voraussetzung für die Umsetzung solcher Konzepte ist aber zunächst eine stabile digitale Infrastruktur und ausreichender technischer Support, hier mangelt es leider noch häufig in Deutschland. Es reicht nicht aus, tolle Endgeräte zur Verfügung zu stellen und die Lehrerinnen und Lehrer dann bei der Implementierung und Wartung alleinzulassen. PERSONALquarterly: Die Pandemiezeit liefert selbstverständlich auch spannende Einblicke für die Personalforschung. Unterneh- mensdaten können hier zusätzliche Erkenntnisse liefern. Welche Analysen sollten Unternehmen jetzt anstellen, um Lehren aus dieser Zeit zu ziehen (z. B. Produktivitätsdaten, Kommunikati- onsverhalten)? Welche Studien sollten Unternehmen jetzt ggf. zusammen mit Forschungseinrichtungen angehen? Guido Hertel: Wir führen aktuell eine Reihe von Studien in sehr unterschiedlichen Organisationen zu „lessons learned“ wäh- rend der Pandemie durch, um die verschiedenen Erfahrungen festzuhalten und besser zu verstehen. Neben positiven Erfah- rungen ist vor allem das Verständnis von Schwierigkeiten wich- tig, nicht zuletzt als Vorbereitung für weitere Infektionswellen. Besonders interessant sind hier Gruppen, die sehr stark in die Bewältigung der Pandemie involviert sind, wie bspw. Krisen- stäbe oder Klinikpersonal. Diese Gruppen zu unterstützen und zu stärken, ist eine wichtige Aufgabe unserer Forschung. Methodisch wünsche ich mir langfristig angelegte Studien, die den zeitlichen Verlauf wichtiger Indikatoren wie Leistung, Motivation oder Stress abbilden. Anfängliche Einschrän- kungen, bspw. in der Leistung oder Zufriedenheit nach Um- stellung auf digitale Arbeitsformen, müssen langfristig nicht bleiben, sondern können sich nach einer gewissen Anpas- sungszeit deutlich verbessern oder sogar über das ursprüng- liche Niveau ansteigen. Mit einmaligen Kurzbefragungen sieht man das nicht. Hier gibt es noch viel zu entdecken! „Die Bewältigung von Krisen stärkt unser Verhaltens- repertoire und unser Selbstvertrauen. Es wäre schade, dieses Potenzial nur auf das Thema Homeoffice zu reduzieren.“ Prof. Dr. Guido Hertel
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