Personal Quarterly 1/2021
7 01/21 PERSONALquarterly Guido Hertel: Auf die Führungskräfte kommen viele neue Auf- gaben zu. Sie müssen nicht nur die Kommunikation mit di- gitalen Medien beherrschen, sondern auch Schwierigkeiten im Team frühzeitig erkennen und proaktiv angehen. Stärker als bisher kommen Führungskräfte dabei in die Rolle eines Begleiters oder Unterstützers, was nicht allen leichtfällt. Vir- tuelle Teamarbeit bedeutet grundsätzlich eine hohe Eigen- und Selbstständigkeit der Beschäftigten, die einzelnen Teammit- glieder übernehmen mehr Verantwortung für sich selbst und den Teamprozess. Das muss ich nicht nur als Führungskraft aushalten und fördern, es muss auch zur Unternehmenskultur passen. Unternehmen mit einer starken Hierarchie haben es hier schwerer. PERSONALquarterly: New Work und die innovative Gestaltung der Arbeitsumgebung, insbesondere von Bürowelten, zielte bislang vor allem auf gut ausgebildete und bezahlte Knowledgeworker ab. Aktuell rücken aber eher Basisarbeiterinnen und -arbeiter mit geringer Qualifikation und Bezahlung in den Fokus. Welche Herausforderungen und Empfehlungen gibt es für die Gestal- tung des Arbeitsorts oder der Arbeitsbedingungen allgemein? Guido Hertel: Zur Verantwortung des Arbeitgebers gehört es na- türlich, für eine ausreichende Ausstattung für die Arbeit zu sorgen. Das ist insbesondere für Arbeitende mit geringeren fi- nanziellen Ressourcen wichtig. Dabei muss sichergestellt sein, dass neben der Technik auch die räumlichen Bedingungen ausreichend sind, um langfristig ein gesundes Arbeiten zu ermöglichen. Außerdem sollten die Beschäftigten möglichst ge- schult in neue Arbeitsumgebungen wechseln. Sie sollten bspw. lernen, welche Arbeitsumgebung zu welcher Art von Aufga- be passt. Dabei sollten sie ermutigt werden, alte Routinen zu verlassen und neues Verhalten auszuprobieren. Auch hierbei spielen Vorgesetzte eine wichtige Rolle, nicht nur als Vorbilder, sondern auch durch das Zeigen von Vertrauen. In unseren Stu- dien finden wir, dass innovative Arbeitsplätze besonders dann gut genutzt werden, wenn sich die Beschäftigten sicher fühlen, neues Verhalten ausprobieren zu können. PERSONALquarterly: Viele Unternehmen denken darüber nach, auch dauerhaft nur noch Teile der Belegschaft im Büro zusam- menkommen zu lassen. Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen für die Gestaltung der Zeiten im Büro und im Homeoffice? Guido Hertel: Wenn es bisher positive Auswirkungen der Coro- na-Pandemie gegeben hat, dann vielleicht die, dass sich viele Berufstätige – zwangsläufig – einer stärkeren Digitalisierung geöffnet haben und dabei durchaus auch positive Erfahrungen machen konnten. Daraus können wir viel lernen, vor allem wenn sich die Diskussion nicht allein umRegelungen für Home office dreht. Die große Chance besteht vielmehr darin, die er- lebte Krise als Chance zu nutzen, Arbeitsprozesse generell zu PROF. DR. GUIDO HERTEL Dekan des Fachbereichs Psychologie und Sportwissenschaft Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie Universität Münster Guido Hertel studierte Psychologie an der Universität Gießen und promovierte 1995 an der Universität Heidelberg. Nach Forschungstätigkeiten an den Universitäten Mannheim und in den USA (Michigan State University) habilitierte er sich 2002 an der Universität Kiel. Von 2004-2008 war er der erste Professor für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Univer- sität Würzburg. Seit 2008 ist er Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Themen- feldern: Digitalisierung von Arbeit, demografische Veränderungen in Organisationen, Flucht und Migration, Teamarbeit sowie Verhandlungsforschung. Guido Hertel hat mehr als 100 Artikel in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und ist Autor bzw. Herausgeber verschiedener Fach- und Handbücher zum Thema digitale Zusammenarbeit. Weitere Informationen unter https:// www.uni-muenster.de/OWMS/
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==