Personal Quarterly 1/2021
64 ESSENTIALS _REZENSIONEN PERSONALquarterly 01/21 Endlich Urlaub! Doch wie lange hält der Urlaubseffekt an? Shannon Horan, Paul E. Flaxman, Christopher B. Stride : The Perfect Recovery? Interactive Influence of Perfectionism and Spillover Work Tasks on Changes in Exhaustion and Mood Around a Vacation. Journal of Occupational Health Psycho- logy. Advance online publication (2020), http://dx.doi. org/10.1037/ocp0000208 F ür viele Menschen ist der Urlaub die schönste Zeit des Jahres. Tatsächlich ist Urlaub für Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen eine wichtige Erholungsmöglichkeit. Sie können sich imUrlaub von den Anforderungen der Arbeit lösen und sich dadurch von arbeitsbezogenem Stress erholen. Die Forschung zeigt, dass sich das Wohlbefinden von Mitarbeiter/-innen durch Urlaub verbessern kann. Allerdings ist nicht ganz klar, wie lange dieser Effekt anhält. Während der Urlaubseffekt in einigen Studien noch mehrere Wochen nach dem Urlaub zu finden war, verschwanden die positiven Effekte von Urlaub auf das Wohlbefinden in anderen Studien bereits innerhalb weniger Tage. Um die Ausprägung und zeitlichen Verläufe des Urlaubs effekts besser zu verstehen, wurden in einer aktuellen Studie wöchentliche Veränderungen im Wohlbefinden vor, während und nach einem einwöchigen Urlaub untersucht. Zudem gingen die Forscher/-innen der Frage nach, inwieweit der Urlaubseffekt von personenbezogenen Faktoren abhängig ist. Sie vermuteten, dass perfektionistische Besorgnis ein wichtiger Risikofaktor sein könnte, der die Ausprägung und Dauer des Urlaubseffekts beeinflusst. Menschen mit einem hohen Ausmaß an perfek- tionistischer Besorgnis haben Angst, Fehler zu machen oder negative Kritik für ihre Leistungen zu erhalten, zweifeln an der Qualität ihrer Leistungen und neigen zur Selbstkritik. Auf Grundlage des Vulnerabilitäts-Stress-Modells wurde angenommen, dass perfektionistische Tendenzen besonders stark durch die Arbeit getriggert werden und sich somit insbe- sondere während der Arbeitswochen ungünstig auf das Wohl- befinden auswirken, während sie imUrlaub weitgehend inaktiv sind. Aus dieser Grundidee leiteten die Autor/-innen der Studie mehrere Annahmen für die Ausprägung des Wohlbefindens für die Zeit vor, während und nach dem Urlaub ab. Personen mit höherer Ausprägung in perfektionistischer Besorgnis sollten vor dem Urlaub im Vergleich zu weniger perfektionistischen Personen ein schlechteres Wohlbefinden aufweisen. Unter der Voraussetzung, dass während des Urlaubs keine arbeitsbezo- genen Aufgaben bearbeitet werden, sollten sie zudem einen besonders starken Erholungseffekt erleben und somit während des Urlaubs ähnliche Werte im Wohlbefinden aufweisen wie Personen mit geringerer perfektionistischer Besorgnis. Nach dem Urlaub sollten perfektionistische Personen dann jedoch besonders schnell wieder zu ihrem Ausgangsniveau im Wohl- befinden zurückkehren. Zur Überprüfung dieser Annahmen wurden Lehrer/-innen in Schulen in den USA und Großbritannien über sieben Wo- chen hinweg jeweils freitags zu ihrem Wohlbefinden befragt. Die erste Befragung fand zwei Wochen vor Beginn der ein- wöchigen Ferien zur Mitte des Schulhalbjahres statt. Insge- samt nahmen 224 Lehrer/-innen an der Studie teil. Während des Urlaubs verringerte sich die emotionale Erschöpfung der Lehrer/-innen sprunghaft und auch die ängstliche und depres- sive Stimmung nahm deutlich ab. Allerdings zeigte sich auch, dass das Wohlbefinden nach den Ferien relativ schnell zum Ausgangsniveau zurückkehrte. Lehrer/-innen mit hoher per- fektionistischer Besorgnis wiesen vor demUrlaub imVergleich zu weniger perfektionistischen Lehrern/-innen ein schlech- teres Wohlbefinden auf und erlebten einen ganz besonders starken Urlaubseffekt – allerdings nur dann, wenn sie sich im Urlaub nicht mit arbeitsbezogenen Aufgaben beschäftigten. Im Hinblick auf die Veränderung des Wohlbefindens nach dem Urlaub spielte die perfektionistische Besorgnis entgegen der Erwartung hingegen keine Rolle. Insgesamt stehen die Ergebnisse im Einklang mit der bishe- rigen Forschung, die darauf hindeutet, dass bereits ein relativ kurzer Urlaub zu deutlichen Verbesserungen imWohlbefinden beitragen kann. Allerdings zeigte sich in der Studie auch, dass insbesondere die ängstliche Stimmung, aber auch die emotio- nale Erschöpfung und die depressive Stimmung recht schnell wieder zum Ausgangsniveau zurückkehrten. Die Ergebnisse der Studie stützen somit die Annahme, dass Urlaubseffekte nur von kurzer Dauer sind. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, Strategien zu entwickeln, die die Aufrechterhaltung posi- tiver Urlaubseffekte auf das Wohlbefinden unterstützen. Z. B. sollte darauf geachtet werden, dass die Arbeitsbelastung nach der Rückkehr aus dem Urlaub nicht zu hoch ausfällt. Auch entspannende Aktivitäten in der Freizeit können dabei helfen, den Urlaubseffekt zu konservieren. Führungskräfte sollten für die perfektionistischen Ten- denzen ihrer Mitarbeiter/-innen sensibilisiert werden, um den ungünstigen Auswirkungen von Perfektionismus auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter/-innen entgegenwirken zu kön- nen. Perfektionistische Mitarbeiter/-innen könnten zudem von Trainings zur Verbesserung der allgemeinen Erholungsfähig- keit nach der Arbeit (z. B. mentales Abschalten) profitieren. Besprochen von Maie Stein , Lehrstuhl für Arbeits- und Organi- sationspsychologie, Universität Hamburg
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