Personal Quarterly 1/2021
62 ESSENTIALS _REZENSIONEN PERSONALquarterly 01/21 Homeoffice für die Massen: Gemeinsam alleine? Kevin W. Rockmann (George Mason University) & Michael C. Pratt (Boston College): Contagious offsite work and the lonely office: The unintended consequences of distributed work, Aca- demy of Management Discoveries, 2015, 1(2), 150–164. den, von zu Hause aus statt im Büro zu arbeiten, am häufigsten angegeben, dass man im Homeoffice mehr Arbeit erledigen kann. Der stärkste Prädiktor für die tatsächlich im Homeoffice (relativ zur gesamten Arbeitszeit) verbrachte Arbeitszeit war jedoch, dass nur wenige Mitarbeiter des eigenen Teams (wenn überhaupt) so häufig im Büro arbeiteten, dass es einen Nutzen für einen selbst hätte, im Büro statt von zu Hause aus zu ar- beiten. In anderen Worten: Die Entscheidung, im Homeoffice statt im Büro zu arbeiten, wurde durch die Entscheidungen von Kollegen, im Homeoffice statt im Büro zu arbeiten, bestimmt. Ein Teufelskreis. Die Quintessenz aus praktischer Perspektive: Einer breiten Masse an Mitarbeitern vollständige Flexibilität in der Wahl zwischen Büro und Homeoffice zu gewähren, birgt die Gefahr, dass die sozialen und produktiven Vorteile der Arbeit im Büro ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zur Geltung kommen. In der Folge bleiben dann auch diejenigen zu Hause, die eigent- lich lieber vollständig oder zumindest teilweise im Büro arbei- ten würden – mit den entsprechenden Konsequenzen für deren Jobzufriedenheit und Bindung an das Unternehmen. Tatsäch- lich gaben unter den von Rockmann und Pratt interviewten Mitarbeitern auch diejenigen an, die sozialen und produktiven Vorzüge der Arbeit im „alten“ Büroalltag zu vermissen, die primär von zu Hause aus arbeiteten. Die Konsequenzen ei- ner großzügigen und viele Mitarbeitergruppen abdeckenden Homeoffice-Regelung für die „Netto-Jobzufriedenheit“ der Be- legschaft sind also nicht so eindeutig, wie von weiten Teilen der Forschung zu flexiblen Arbeitszeitmodellen und Work-Life- Balance angenommen. So erklärt sich vielleicht auch, warum Unternehmen wie bspw. Yahoo ihre einstmals großzügigen Homeoffice-Regelungen wieder eingeschränkt haben – mit dem Verweis auf die Wichtigkeit von Kommunikation und Zu- sammenarbeit und der Gefahr, Geschwindigkeit und Qualität einzubüßen, wenn Homeoffice die Regel statt die Ausnahme ist. Besprochen von Dr. Benjamin P. Krebs , Lehrstuhl International Business, Universität Paderborn. D urch Covid-19 dazu gedrängt, haben Organisationen ihre Homeoffice-Regelungen stark ausgeweitet, so- dass viele Mitarbeiter noch immer (oder schon wie- der) teilweise oder gar vollständig von zu Hause aus arbeiten. Wider Erwarten hat vielleicht der eine oder andere in der Zwischenzeit festgestellt, dass die Arbeit im Homeoffice die Work-Life-Balance verbessern kann, mehr Autonomie im Job bietet und vielleicht sogar produktiver macht – ein gutes Zeitmanagement vorausgesetzt. Aus diesen Gründen könnten unternehmensweite Homeoffice-Regelungen durchaus die „Netto-Jobzufriedenheit“ der Belegschaft steigern. Eine ent- scheidende, jedoch wenig beachtete Annahme hinter dieser Rechnung ist jedoch, dass sich am Nutzen der Arbeit im Büro nichts ändert – für diejenigen, die weiterhin (teilweise oder vollständig) im Büro arbeiten möchten. Dass diese Annahme nicht immer gerechtfertigt ist, zeigen die Ergebnisse eines For- schungsprojekts von Rockmann und Pratt zu den Homeoffice- vs.-Büro-Erfahrungen von Mitarbeitern eines Fortune 100 High-Tech-Unternehmens, das seinen Mitarbeitern freistellt, flexibel zwischen Büro und Homeoffice zu wechseln. In einer qualitativen Studie nannten die 29 interviewten Mit- arbeiter des Fallunternehmens zwar wie erwartet klassische Work-Life-Balance-Motive, im Homeoffice zu arbeiten, aber auch die antizipierte Abwesenheit von Kollegen im Büro. Die Häufigkeit, mit der Mitarbeiter die Gelegenheit zum Arbeiten im Homeoffice nutzten, hatte im Fallunternehmen offenbar einen Punkt überschritten, ab dem die Mühe und Anfahrtszeit, um ins Büro zu kommen, nicht mehr durch das Glücksspiel ausgeglichen wurde, diejenigen Kollegen im Büro anzutreffen (und nicht nur unbekannte Gesichter), mit denen man zuvor kurzerhand Informationen ausgetauscht, Ideen diskutiert, sich gegenseitig unterstützt oder einfach nur zum Lunch verabredet hat. Die Arbeit im Büro war anders geworden: Echte Teamarbeit gab es nicht mehr, weder im Sinne einer gefühlten Zugehörig- keit zu einem Team noch in Bezug auf den Arbeitsstil; im Büro war man zwar nicht alleine, aber doch isoliert. Die Ergebnisse einer quantitativen Folgestudie mit einer grö- ßeren Anzahl an Mitarbeitern des Fallunternehmens aus ver- schiedenen Geschäftseinheiten bestätigten die Erkenntnisse aus den qualitativen Interviews: Zwar wurde unter den Grün-
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