Personal Quarterly 1/2021

60 STATE OF THE ART _REKRUTIERUNG PERSONALquarterly 01/21 der Fall zu sein scheint. Die Kenntnis einer Prämienzahlung wirkt negativ auf die Einschätzung der Arbeitgeberattraktivität bei potenziellen Bewerbern und die Empfehlung wird als weni- ger glaubwürdig angesehen (Stockman/Van Hoye/Carpentier, 2017). In eine ähnliche Richtung gehen die Befunde von Britta- ny M. Bond und Kollegen (2018): In einer Vignettenstudie fin- den die Autoren eine mit der Höhe der Bonuszahlung steigende Bereitschaft, auch weniger geeignete Kandidaten zu empfehlen. Zu einem ähnlichen Befund kommen Guido Friebel und Kolle- gen (2020) in einem aktuellen Feldexperiment. Es ist somit von einer klassischen Crowding-out-Situation auszugehen, bei der durch Bonuszahlungen die Quantität der Empfehlungen steigt und die Qualität sinkt. Die Komplexität des Zusammenspiels von extrinsischen und unternehmensbezogenen prosozialen Motiven zeigt sich auch in der Betrachtung spezifischer Beschäf- tigungssituationen, in denen sich die Zusammenhänge auch anders darstellen können: In einer fiktiven Vignettenstudie bei Pflegekräften in einem belgischen Krankenhaus verändern fi- nanzielle Anreize bspw. weder die Quantität noch die Qualität der Empfehlungen (Stockman/Van Hoye/van Hooft, 2020). In diesemKontext, in demQualifikation und Motivation der Mitar- beiter bedeutsam für Überleben und Gesundheit sind, scheinen die Beschäftigten einen Schwerpunkt auf die Matchqualität zu legen und die finanzielle Belohnung eher zu ignorieren. Zu- sammenfassend sollten Boni somit unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischenMotivkonstellation zur Erweiterung des Kandidatenpools eingesetzt werden. Empfehlungen können dann aber den klassischen Selektionsprozess und den Einsatz eignungsdiagnostischer Instrumente nicht ersetzen. Effektivität von Mitarbeiterempfehlungen Mitarbeiterempfehlungsprogramme sind u. a. deshalb weit- verbreitet, da die Annahme besteht, dass Mitarbeiter sowohl motiviert als auch einzigartig qualifiziert sind, gute Kandi- daten zu geringen Kosten für das Unternehmen zu empfehlen (Pieper, 2015). Die Forschung hat gezeigt, dass empfohlene Kandidaten mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Jobangebot er- halten (Fernandez/Castilla/Moore, 2000; Van Hoye/van Hooft/ Lievens, 2009), eingestellt werden (Brown/Setren/Topa, 2016; Holzer, 1988) und höhere Löhne erzielen (Brown et al., 2016; Burt, 1992; Simon/Warner, 1992). Sogar wenn empfohlene Kandidaten und Kandidaten aus anderen Rekrutierungskanä- len den gleichen Lebenslauf aufweisen und sich zeitgleich be- werben, erhalten empfohlene Kandidaten eher eine Einladung zumVorstellungsgespräch und ein Stellenangebot (Schlachter/ Pieper, 2019). Um zu beurteilen, ob sich Mitarbeiterempfeh- lungen als Rekrutierungskanal besser eignen als andere her- kömmliche Rekrutierungsquellen wie bspw. Stellenanzeigen, zieht die Forschung üblicherweise zwei Bewertungskriterien heran: Mitarbeiterbindung und Leistung der Empfohlenen nach der Einstellung. Während die bisherige Forschung vielmals einen positiven Zusammenhang zwischen empfohlenen Mitarbeitern und Mitarbeiterbindung (z. B. Burks/Cowgill/Hoffman/Housman, 2015; Holzer, 1987; Pieper, 2015; Simon/Warner, 1992) auf- zeigt, haben einige wenige Studien diesen Zusammenhang nicht gefunden (z. B. Linnehan/Blau, 2003; Taylor/Schmidt, 1983). Was die Leistung empfohlener Mitarbeiter betrifft, so sind die Ergebnisse bisher wenig schlüssig (Schlachter/Pieper, 2019). Taylor und Schmidt fanden bspw. (1983) keinen Leis- tungsunterschied zwischen empfohlenen und anderweitig re- krutierten Mitarbeitern. Pinkston (2012) hingegen zeigte, dass empfohlene Mitarbeiter im Vergleich zu nicht empfohlenen eine höhere Produktivität aufweisen. Castilla (2005) analysier- te eine Stichprobe von 290 Mitarbeitern eines Callcenters und stellte fest, dass die Empfohlenen nur kurzfristig produktiver waren als Mitarbeiter aus anderen Rekrutierungskanälen. Pie- per (2015) stellte in ihrer Studie mit 1.682 Mitarbeitern eines Callcenters fest, dass die Leistung der empfohlenenMitarbeiter im Vergleich zu anderen Mitarbeitern nur geringfügig besser war (marginal statistisch signifikant). Zusammenfassung und praktische Schlussfolgerungen 3 Mitarbeiter geben eher positive Mitarbeiterempfehlungen, wenn sie eine hohe Arbeitszufriedenheit und ein hohes or- ganisationales Commitment haben, das Unternehmen Emp- fehlungsboni anbietet und die Mitarbeiter von prosozialen Motiven getrieben werden. 3 Bisherige empirische Ergebnisse zeigen, dass empfohlene Mitarbeiter tendenziell länger im Unternehmen bleiben. Leistungsunterschiede zwischen empfohlenen und nicht empfohlenen Mitarbeitern konnten bislang nicht klar fest- gestellt werden. 3 Es erscheint sinnvoll, empfohlene Mitarbeiter die gleichen Selektionsprozesse durchlaufen zu lassen wie Mitarbeiter aus anderen Rekrutierungskanälen.

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