Personal Quarterly 1/2021

6 SCHWERPUNKT _INTERVIEW PERSONALquarterly 01/21 PERSONALquarterly: Was sind die wesentlichen Vorteile und wo liegen die Nachteile virtueller Arbeit in Teams im Vergleich zu Face-to-Face-Interaktion? Guido Hertel: Die Vorteile virtueller Teamarbeit – also der Zusam- menarbeit mittels internetbasierter Informations- und Kom- munikationstechnologie – sind tatsächlich sehr vielfältig. Aus Sicht von Arbeitgebern spielen vor allem strategische Aspekte eine wichtige Rolle, wie bspw. die flexible Einbindung von Expertinnen und Experten unabhängig von ihrer räumlichen Verfügbarkeit, die Zusammenarbeit über unterschiedliche Standorte und Zeitzonen bei international agierenden Teams oder der gemeinsame Zugriff auf tagesaktuelle Informationen durch Nutzung zentraler Datenbanken. Zudem können Reise- und Bürokosten eingespart werden. Aus der Perspektive der Beschäftigten bieten virtuelle Teams große Spielräume für die Arbeitsgestaltung, können hohes Vertrauen des Arbeitgebers signalisieren und ermöglichen grundsätzlich eine gute Work- Life-Balance. Zusätzlich hat virtuelle Zusammenarbeit auch gesellschaftlichen Nutzen, bspw. durch das Angebot von Ar- beitsplätzen in strukturschwachen Regionen und für Personen, die aus gesundheitlichen oder familiären Gründen mobil ein- geschränkt sind. Und last but not least: Virtuelle Teamarbeit bietet in der aktuellen Pandemie natürlich sehr gute Möglich- keiten, das individuelle Infektionsrisiko zu reduzieren. Nachteile virtueller Teamarbeit liegen zum einen in der digi- talisierten Kommunikation, wodurch Informationen und wich- tige soziale Funktionen zu kurz kommen können. Diese sind wichtig für den Aufbau von Vertrauen, für das rechtzeitige Erkennen von Konflikten oder für die gegenseitige Motivierung im Team. Zum anderen sind Beschäftigte und Führungskräfte oft noch nicht ausreichend vorbereitet für diese Art der Zu- sammenarbeit. So werden Potenziale nicht richtig abgerufen und Medien falsch eingesetzt. Ein Klassiker ist die ständige Erreichbarkeit in digitalisierten Arbeitskontexten, die vielen Beschäftigten zu schaffen macht. Der Umstand, dass eine stän- dige Erreichbarkeit technisch möglich ist, heißt noch lange nicht, dass sie auch immer sinnvoll ist. Eigentlich ermöglichen digitale Kommunikationsmedien wie E-Mail oder Chat-Syste- me größere Spielräume für Beschäftigte, bspw. selbst zu ent- scheiden, wann sie Anfragen oder Aufträge bearbeiten. Diese Über die Vor- und Nachteile der virtuellen Zusammenarbeit Das Interview mit Guido Hertel führte Prof. Dr. Heiko Weckmüller Entlastung durch digitale Medien wird durch falsche (oder ver- meintliche) Erwartungen von Führungskräften konterkariert. Außerdem: Wenn ich ständig eingehende Nachrichten lese in der Sorge, etwas zu verpassen, dann ist eine konzentrierte Arbeit eigentlich nicht möglich. Virtuelle Zusammenarbeit hat also mehr positives Potenzial, als es von vielen Berufstätigen aktuell erlebt wird. PERSONALquarterly: Welche Formen virtueller Zusammenarbeit las- sen Teams produktiv werden, bei welchen Formen die Produkti- vität eher? Welche Intensität sollte diese Virtualität haben? Guido Hertel: Ausgangspunkt ist immer die Aufgabenstellung für ein Team. Die jeweilige Arbeitsorganisation sollte dann optimal angepasst werden. Dabei ist ein regelmäßiger Wechsel zwi- schen Planungs- und Arbeitsphasen wichtig. Die Häufigkeit der Planungsphasen orientiert sich an der Komplexität der Aufgabe bzw. der Volatilität des Umfelds. Diese Grundsätze gelten für Teams unabhängig vom Grad der Digitalisierung. Die Virtualität von Teams hat dann mehrere Dimensionen. Zu den wichtigsten gehört der relative Anteil elektronisch ver- mittelter Kommunikation sowie die räumliche und zeitliche Distanz zwischen den Beschäftigten. Mit anderen Worten, die Unterscheidung zwischen virtuell und nichtvirtuell ist zu ein- fach, man muss genauer hinschauen, in welcher Hinsicht ein Team virtuell arbeitet. Arbeitet ein Team bspw. in verschie- denen Zeitzonen (Europa, Asien, Amerika), dann ist ein hoher Zusammenhalt schwieriger zu erreichen, als wenn ich im glei- chen Zeitkorridor arbeite, einfach weil mehr synchrone Kom- munikation möglich ist (Videokonferenzen etc.). Umgekehrt garantiert die Arbeit in derselben Zeitzone oder am selben Ort noch keinen hohen Zusammenhalt, bspw. wenn ein Team vorwiegend asynchron kommuniziert (E-Mail, Chat-Systeme etc.). Grundsätzlich kann man sagen, dass die räumliche und zeitliche Distanz in einem Team vor allem Auswirkungen auf den Zusammenhalt im Team hat. Der relative Anteil elektro- nisch vermittelter Kommunikation hat dagegen Auswirkungen auf die Art der Informationsverarbeitung. PERSONALquarterly: Welche Rolle kommt den Führungskräften und der Unternehmenskultur hierbei zu?

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