Personal Quarterly 1/2021
58 STATE OF THE ART _REKRUTIERUNG PERSONALquarterly 01/21 S tellen werden häufig über persönliche Kontakte be- setzt“ (Brenzel et al., 2016): Die regelmäßige Aus- wertung der IAB-Stellenerhebung zeigt, dass die Hälfte der Unternehmen eigene Mitarbeiter bei der Besetzung von Vakanzen einsetzt. Fast ein Drittel der Neu- einstellungen basieren auf Mitarbeiterempfehlungen, wobei dieser Rekrutierungsweg mit 58 % die mit Abstand höchste Erfolgsquote zeigt. Die Weiterempfehlung des eigenen Unternehmens an Freunde und Bekannte sendet ein starkes positives Signal. Ent- sprechend wichtig sind Mitarbeiterempfehlungen als Rekrutie- rungskanal für Unternehmen. Um die sozialen Netzwerke der eigenen Mitarbeiter optimal für die Rekrutierung zu nutzen, haben viele Unternehmen Mitarbeiterempfehlungsprogramme eingeführt, die bspw. bei erfolgreicher Vermittlung einen Bo- nus für den Mitarbeiter vorsehen. Aber was lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht zumNutzen von Mitarbeiterempfehlungen sagen? Können so tatsächlich geeignete Mitarbeiter identifiziert und für das Unternehmen gewonnen werden? Im Folgenden liefern wir zu Beginn eine kurze Einordnung von Mitarbeiterempfehlungen und fassen dann empirische Ergebnisse zusammen, zunächst mit einem Fokus auf Faktoren, die es für Mitarbeiter wahrscheinlicher machen, dass sie ihr Unternehmen weiterempfehlen. Anschlie- ßend schauen wir auf die Auswirkungen von Empfehlungen auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen wie Mitarbeiterbin- dung und Produktivität. Wir konzentrieren uns auf klassische persönliche Empfehlungen für Neueinstellungen und weniger auf internetbasierte soziale Netzwerke wie z. B. Xing oder Linkedin, zu denen bisher noch wenige Studien durchgeführt wurden. Wir stützen unsere Argumentation wesentlich auf den qualitativen Review von Steven D. Schlachter und Jenna R. Piper (2019), die 101 Studien auswerten, und ergänzen diese selektiv durch Befunde aus Einzelstudien. Empfehlungen als Spielart der Mund-zu-Mund-Propaganda Allgemein können Stellenangebote den Arbeitssuchenden über verschiedene Quellen wie Karriereseiten, Jobbörsen oder Mund-zu-Mund-Propaganda (word-of-mouth) nahegebracht werden (Linnehan/Blau, 2003; Van Hoye, 2013). Im Gegensatz zu anderen Rekrutierungsquellen, wie z. B. Karriereseiten, unterliegt die Mund-zu-Mund-Propaganda nicht der direkten Kontrolle von Unternehmen (Breaugh, 2008; Van Hoye, 2014; Van Hoye/Lievens, 2005). Mitarbeiterempfehlungen sind ne- ben Arbeitgeberbewertungsplattformen die wichtigste Art von Mund-zu-Mund-Propaganda. Gegenwärtige Mitarbeiter des Unternehmens (Empfehlende) fungieren hier als Quel- le für zwischenmenschliche Beschäftigungsinformationen (Pieper/Greenwald/Schlachter, 2018; Van Hoye, 2014). Diese Empfehlenden werden von ihrem Unternehmen ermutigt, of- fene Stellen mit qualifizierten Kandidaten aus ihrem sozialen Netzwerk abzugleichen (empfohlene Kandidaten; Pieper et al., 2018). Daher können nur aktuelle Mitarbeiter eines Unterneh- mens die Quelle von Mitarbeiterempfehlungen sein (Van Hoye, 2014). Ganz allgemein können positive und negative Mitarbei- terempfehlungen unterschieden werden. Erstere beschreiben die Handlung von Mitarbeitern, Menschen aus ihrem sozialen Netzwerk zu ermutigen, sich bei dem gleichen Arbeitgeber zu bewerben. Letztere hingegen repräsentieren die gegenteilige Handlung von Mitarbeitern, nämlich andere davon abzuhalten, sich zu bewerben (Van Hoye, 2013). In Studien von Van Hoye und Lievens (2007) sowie Kanar, Collins und Bell (2010) war der Einfluss negativer Aussagen stärker als der Einfluss positiver. Zudem stellten sie fest, dass von aktuellen Mitarbeitern stam- mende negative Informationen über ein Unternehmen dessen Arbeitgeberattraktivität negativ beeinflussen kann. Arbeits suchende, welche sich nicht für ein Unternehmen interessie- ren, verschwinden aus dem Rekrutierungsprozess und können auch durch spätere Rekrutierungsaktivitäten nicht mehr er- reicht werden (Carlson/Connerley/Mecham, 2002). Daher gilt es für Unternehmen, negative Mitarbeiterempfehlungen zu ver- meiden und positive zu generieren (Van Hoye, 2013). Drei-Phasen-Modell zur Analyse von Mitarbeiterempfeh- lungen Schlachter und Pieper (2019) entwickeln auf Basis der ausge- werteten Studien ein Modell, das drei Phasen unterscheidet (vgl. Abb. 1). Wir wollen uns im Folgenden insbesondere auf die Motivation zur Abgabe einer Empfehlung (Phase 1) und die Konsequenzen aus Empfehlungen (Phase 3) konzentrieren. Von Viktoria Wieschollek (Universität Mannheim) , Prof. Dr. Heiko Weckmüller (Hochschule Koblenz) und Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) Mitarbeiterempfehlungen und Mitarbeiterempfehlungsprogramme
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