Personal Quarterly 1/2021

39 04/20 PERSONALquarterly Space erneut propagiert. Die Welt ist im digitalen Dorf zusam- mengerückt und im Co-Working-Space finden sich Kreative, Solo-Selbstständige oder Gründerinnen – zunächst 2001 in der Sunshine Suite New York – zusammen und nutzen temporär oder langfristiger den angebotenen Arbeitsraum, die Büroaus- stattung und die Gemeinschaftseinrichtungen vom Bespre- chungsraum bis zur Kaffeemaschine. Das alte Taz-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße beheimatet heute das Co-Working- Space-Pionierunternehmen Betahaus, das 2009 die erste Ber- liner Lokalität gründete. Auf dem Weg vom Nachbarschaftsbüro zum Co-Working- Space entfernte sich die Idee jedoch nicht nur räumlich, son- dern auch soziokulturell von Pendlerinnen und Pendlern in die Metropole. Auch die digitale Bohème verschafft sich einen Distinktionsgewinn aus der Distanz zum Normalfall des Sozia- len. Berlin Kreuzberg ist nicht, sagen wir mal, Süderbrarup. Im Politischen verbleibt die Teleheimarbeit im Arbeitsministeri- um. Der Co-Working-Space startet im Wirtschaftsministerium neu. Die Zukunft aber gehört der einvernehmlichen Koopera- tion beider, die das Konzept der Co-Working-Spaces für neue Zielgruppen öffnen und in neue Regionen ausbreiten könnten. Co-Working-Space als neues Arbeitsmodell Bislang ist der Co-Working-Space vorrangig ein Arbeitsort von innovationsintensiven und kreativen Nutzern aus der IT- und Kreativbranche, von Soloselbstständigen, Start-ups und Freelancern (Echterhoff et al., 2018; Engstler/Mörgenthaler, 2018). Entsprechend ist die weit überwiegende Mehrheit der – nach einer Meldung des Bundesverbands Co-Working-Spaces – mittlerweile über 1.200 „dritten Arbeitsorte“ auch in den städtischen Metropolen angesiedelt. Mit der coronabedingten Expansion des Homeoffice bieten sich neue Perspektiven, das Dienstleistungsmodell Co-Working-Space im großen Stil zu einer Alternative auch für abhängig Beschäftigte fortzuentwi- ckeln. Es hat das Zeug dazu, die Schwächen der beiden Welten Büro und Arbeit am häuslichen Schreib- oder Küchentisch pro- duktiv auszubügeln. Als neues Arbeitsmodell grenzt es sich gegenüber dem Homeoffice durch eine professionelle Büroausstattung, durch eine ruhige und nicht durch private Einflüsse gestörte Ar- beitsumgebung ab. Zudem besteht die Möglichkeit zum kom- munikativen Austausch auch über die eigenen betrieblichen und beruflichen Grenzen hinweg, was durchaus motivierend sein kann. Arbeitsschutzfragen lassen sich einfacher aus der regulatorischen Grauzone auf gesicherten Grund überführen. Auch die Informationssicherheit und der Datenschutz lassen sich leichter gewährleisten. Durch eine professionelle Ar- beitsumgebung und die Möglichkeit zum fachlichen und sozi- alen Austausch kommt Co-Working demBüroleben näher, ohne jedoch zusätzliche Zeit und Kosten für das Pendeln aufbrin- gen zu müssen. Betriebe sparen Büroraum und in städtischen Regionen hohe Bürokosten. Die geringere Belastung der Ver- kehrsinfrastruktur entlastet die öffentlichen Haushalte. Und nicht zuletzt profitiert auch die Umwelt, ohne dass zusätzliche Kosten anfallen. Schließlich lässt sich Vereinbarkeit, das zentrale Thema im Kontext der aktuellen Debatten um Homeoffice, neu denken und gestalten. Die Kombination von Co-Working-Space und Kinderbetreuung oder die Nutzung vorhandener Betreuungs- einrichtungen in räumlicher Nähe zum Nachbarschaftsbüro entzerrt Arbeit und Betreuungsaufgaben, ohne die belasten- den Wegezeiten konventioneller Büroarbeit. Insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen, die kaum be- triebsinterne Lösungen schaffen können, bieten sich dadurch Chancen, ihre Attraktivität im Sinne familienfreundlicher Ar- beitsumgebungen zu steigern. Neue Initiativen auf dem Land Auch auf dem Land tut sich etwas. Eine Reihe von Bundeslän- dern sieht Co-Working-Spaces als Teil ihrer Digitalstrategien. Einige fokussieren die Pendlerproblematik rund um die Metro- polen. Die Wirtschaftsförderer südlich von Hamburg organi- sieren Co-Working-Spaces bspw. auch aus dieser Perspektive. Anders verhält es sich in verkehrstechnisch problematischen Regionen innerhalb der Peripherie. Die klein- und mittel- ständisch geprägte Industrieregion Südwestfalen hat nicht aufgrund großer Pendlerströme in eine Metropole, sondern aufgrund der regionalen Topologie zeitlich lange Wegzeiten zur Arbeitsstätte zum Thema. Andere Regionen wie in Me- cklenburg-Vorpommern setzen u. a. darauf, mit Co-Working- ABSTRACT Forschungsfrage: Homeoffice erlebt coronabedingt einen kaum für möglich gehaltenen Aufschwung. Damit eröffnen sich neue Perspektiven für einen dritten, alternativen Arbeits- ort, den Co-Working-Space. Der Beitrag diskutiert dessen Vorzüge gegenüber Homeoffice einerseits und Arbeit im Büro andererseits. Die Perspektive ist dabei auf den ländlichen Raum gerichtet und auf die Chancen, auch dort Co-Working-Spaces einzurichten. Methodik: Qualitative Bewertung der Literatur zu Vor- und Nachteilen von Arbeitsorten Praktische Implikationen: Im Unterschied zu den in städtischen Regionen eher marktlich entstandenen Co-Working-Spaces brauchen vergleichbare Einrichtungen in der Peripherie eher Anstöße durch öffentliche Förderung, wie Beispiele zeigen.

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