Personal Quarterly 1/2021
PERSONALquarterly 01/21 30 SCHWERPUNKT _FUTURE WORK: DIE ROLLE DES BÜROS N eue digitale Technologien und die daraus resultie- renden Innovationen verändern in einer hohen Ge- schwindigkeit Unternehmen und ganze Branchen. Uber, Airbnb, Spotify oder Netflix haben gezeigt, wie digitale Geschäftsmodelle Industrien revolutionieren und etablierte Unternehmen herausfordern. In kurzer Zeit müssen Unternehmen und deren Mitarbeiter nicht nur neue Trends und zukünftige Innovationen realisieren, sondern auch ihre existierenden Geschäftsmodelle überdenken und an die neue digitale Arbeitswelt kontinuierlich und agil anpassen (Kupp, 2017). Unternehmensgröße ist kein Erfolgsfaktor mehr: Die organisatorische Trägheit großer, etablierter Unternehmen verhindert sogar häufig eine schnelle Reaktions- und Ad- aptionszeit und damit die Förderung radikaler, disruptiver Innovationen (Christensen, 2013). Trotz vieler interner Maß- nahmen, wie bspw. Anreizsystemen zur Förderung digitaler Geschäftsmodellinnovationen, verlagert sich die Brutstätte von Innovationen immer mehr aus Organisationen heraus in ein externes, lernendes Netzwerk. Radikales Innovieren geschieht heute nicht mehr alleine, sondern im Sinne der „Future-Work“-Bewegung gemeinsam. Während die Öffnung der Unternehmen für z. B. Forschungskollaborationen mit Uni- versitäten, Kunden oder der Crowd schon einige Jahrzehnte besteht, geht es in den letzten Jahren um die Öffnung der Innovationsprozesse für externe Kollaborationen mit Start- ups. Dabei erhalten etablierte Großunternehmen nicht nur Zugang zu neuen Technologien und disruptiven Geschäfts- modellen, sondern auch zu einer Innovationskultur, die als agil, risikofreundlich, proaktiv und offensiv gilt und als Wett- bewerbsfaktor immer relevanter wird. Als Vorbild und inno- vatives Ideal gilt das Innovationsökosystem Silicon Valley. Anders als in den USA entstand in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten eine Vielzahl von kleineren, regionalen Innovationsökosystemen, die häufig branchenspezifisch ge- clustert sind. Viele Konzerne und mittlerweile auch kleinere und mittlere Unternehmen folgen dieser Entwicklung, las- sen sich in Start-up-Methoden (z. B. Lean Start-up, Design Thinking etc.) schulen oder binden innovative Kunden und andere Stakeholder in den Innovationsprozess ein. Ein wei- terer, häufig etwas kostspieligerer Trend ist die Schaffung von Kollaboration im Innovationsprozess: Lab, Incubator, Accelerator, Makerspace? Von Prof. Dr. Mareike Heinzen, Jan Conrads (MA) und Finn Rieken (M. Sc.) (Hochschule Koblenz) sog. Kollaborationsvehikeln, die mit den unterschiedlichsten Namen versehen sind: Sie heißen Innovation Lab, Accelerator, Incubator, Hub oder Co-Working-Space und können von einem mit Post-its behangenen Konferenzraum bis hin zu einem 20.000 Quadratmeter großen Inkubator reichen. Manche sind lose Wissensgemeinschaften, andere formalisierte, unterneh- mensinterne Programme, um externe Kollaborationen mit unterschiedlichsten Partnern zu fördern. Die Entstehungsge- schichte der meisten Kollaborationsvehikel begann mit der physischen Auslagerung von Forschungseinheiten oder Abtei- lungen in separate Räumlichkeiten, um geschäftsunabhängig an disruptiven Innovationen zu arbeiten. Heute – und zusätz- lich beschleunigt durch die Covid-19-Pandemie – agieren die Akteure der Kollaboration nicht nur physisch, sondern auch virtuell miteinander. Innovationsverantwortliche großer und kleiner Unternehmen müssen aus der Vielzahl dieser Kol- laborationsvehikel mit all ihren Charakteristika auswählen und diese aufeinander abstimmen. Oftmals mangelt es an ei- ner ganzheitlichen Analyse, einheitlichen Definitionen und Abgrenzungen der aktuell gängigsten Kollaborationsvehikel mit Externen sowie deren strukturierte Einordnung in den Innovationsprozess (Moschner et al., 2019). Daraus ergeben sich folgende Forschungsfragen: 1) Wie differenzieren sich die aktuellen Kollaborationsvehikel von Unternehmen mit externen Akteuren voneinander? 2) Wann und wie können diese Kollaborationsvehikel in den Innovationsprozess eingeordnet werden? Open Innovation und Kollaboration Mit dem Open-Innovation-Ansatz öffnet ein Unternehmen zielgerichtet seinen Innovationsprozess gegenüber seinem Umfeld, um entweder externes Wissen, z. B. von Kunden, Start-ups, Lieferanten, Universitäten etc., zu integrieren (Outside-In-Prozess) oder internes Wissen, z. B. in Form von Ausgründungen, Lizenzgebühren fur Patente bzw. Innovati- onen, zu externalisieren (Inside-Out-Prozess) oder beides zu realisieren (Coupled-Prozess). Studien haben gezeigt, dass Open-Innovation-Ansätze die Unternehmensleistung posi- tiv beeinflussen. Vor allem der Coupled-Prozess birgt hohe Potenziale, da das über den Inside-Out-Prozess nach außen
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