Personal Quarterly 1/2021
PERSONALquarterly 01/21 14 SCHWERPUNKT _FUTURE WORK: DIE ROLLE DES BÜROS munikation entstand zwischen Mitarbeitenden auf unter- schiedlichen Hierarchieebenen mit externen Gruppen oder Besuchern. Die Kommunikation innerhalb der Berichtslinie sank hingegen von 22 % auf 11 %. Beide Ergebnisse sind si- gnifikant (p = ,001). Die qualitativen Beobachtungen zeigen, dass diese Veränderung der Kommunikationswege vor allem Laboranten interdisziplinäre Kontakte ermöglichte. Ein Grup- penleiter sagte nach dem Umzug: „Die Veränderungen für La- boranten waren wahrscheinlich am größten, auch wenn sie es noch nicht realisiert haben. Sie haben viel mehr Kontakt zu anderen Laboren …“ Dies wird durch die Aussage eines Labo- ranten bestätigt: „Unser Betreuer war der einzige Kontakt im alten Gebäude.“ Der Anstieg der Kommunikation auf der un- teren Hierarchieebene erhöhte die Eigenständigkeit der Labo- ranten in ihren Experimenten und im eigenverantwortlichen, interdisziplinären Austausch untereinander. Zwei Jahre nach dem Umzug wird die Reduktion der Hierarchierolle und der Anstieg der informellen, interdisziplinären Kommunikation zwischen Laboranten immer noch wahrgenommen: „Zeitnahe Antworten an unsere Laboranten waren im alten Gebäude nicht möglich … Die Hierarchie hat sich erheblich abgeflacht“ (Gruppenleiter). Allerdings geht der erhöhte interdisziplinäre Austausch teilweise auf Kosten der Kommunikation innerhalb der eigenen Disziplin. Ein Laborant bemerkte: „Es gibt Tage, an denen ich kaum mit einem Kollegen aus meiner eigenen Disziplin spreche. Das ist nicht gut für mich.“ Örtliche Veränderungen der Kommunikation: Vom Labor an den Bürotisch Die erhöhte Kommunikation zwischen Laboranten deckt sich allerdings nicht mit einer erhöhten Kommunikation am Labor- tisch, wo diese die meiste Arbeitszeit verbringen. Tatsächlich sanken nach dem Umzug die Face-to-Face-Kommunikations events am Labortisch von 44 % auf 36 % (p = ,001). Die verblei- bende Zeit kommunizierten sie im Büro oder in anderen Zonen der Multi-Space-Umgebung. Auch die Durchschnittsdauer der Laborkonversationen sank von 151 auf 132 Sekunden (Diffe- renz nicht signifikant). Die Kommunikationshäufigkeit zwi- schen Laboranten am Labortisch sank von 2,3 auf 1,5 Events pro Person in der Stunde (p = ,01). Im neuen, offeneren Labor verbrachten Laboranten durchschnittlich 3 Minuten pro Stun- de in Face-to-Face-Konversationen im Vergleich zu 6 Minuten pro Stunde an ihrem alten Labortisch. Ein Laborant bestätigte dies nach demUmzug: „Das [neue] Labor ist erstaunlich ruhig.“ Die Daten in Abbildung 3 zeigen auch, dass die Kommuni- kation nicht versiegt, sondern sich vom Labor- zum Bürotisch verlagert (Anstieg von 1,6 Events pro Person in der Stunde auf 2,8 mit p = ,001). Interviews und Beobachtungen weisen auf zwei Gründe für diese Verlagerung hin: Erstens sind in der neuen offenen Multi-Space-Arbeitsumgebung Büro- und Laborarbeit klar voneinander getrennt (vgl. Abb. 1b). Diese räumliche Trennung wird symbolisch durch das Anlegen von Schutzkleidung für den Laborbereich unterstützt. Die Beobach- tungsprotokolle legen dar, dass die visuellen Repräsentationen der Laborversuche und -daten, wie Tabellen oder Simulationen, fast ausschließlich am Computer des Büroarbeitsplatzes dis- kutiert wurden. Dies führte zu einer Kommunikationsverla- gerung vom Labor- an die Bürotische. Ein Wissenschaftler bestätigte: „Eine gute wissenschaftliche Diskussion abseits von unseren Büroarbeitsplätzen macht keinen Sinn, da dies der Ort ist, wo unsere Daten sind.“ Zweitens versuchten die im Labor arbeitenden Laboranten sich gegenseitig nicht zu unterbrechen. Denn Laborarbeit erfordert einerseits hohe Prä- zision und Aufmerksamkeit, sodass eine Unterbrechung die Arbeit mehrerer Stunden zerstören könnte. Andererseits gibt es auch einfache, sich wiederholende Tätigkeiten. In den alten Zellenbüros konnten die wenigen dort arbeitenden Laboranten relativ einfach zwischen diesen beiden Labortätigkeiten un- terscheiden und so ihre Konversation organisieren: Bei gerin- ger Anforderung wurden häufig soziale Themen besprochen, während in Zeiten hoher Konzentration auf Kommunikation verzichtet wurde. Der neue offene Laborbereich ist weitläufig und bietet mehr Raum pro Person, was zusätzlich die Kommu- nikation reduzierte. Ein Laborant merkte dazu an: „Ich habe am früheren Labortisch mehr geplaudert. Dies ist hier kaum möglich, da wir so weit verteilt sind.” Veränderung der Kommunikation vereinfacht Lokalisierung von Expertise Der Umzug in ein offenes, integriertes Multi-Space-Labor scheint ein erhöhtes Bewusstsein der Forscher über die Ver- teilung ihrer Expertise geschaffen zu haben. Bemerkungen hierzu erhielten wir von einem Wissenschaftler: „Ihre [die der Laboranten] Visibilität und die ihrer Arbeit hat stark zuge- nommen. Uns sind die drei Ps jetzt viel klarer: People, Pro- jects, Procedures. Das ist, was zählt: Wer arbeitet an welchen Projekten und mit welchen Methoden.“ Im offenen Labor wird nicht nur die Kommunikation innerhalb der Hierarchieebenen erleichtert, auch das Wissen über die Expertise der Kollegen wächst und macht es einfacher, diese Expertise zu lokalisieren und aktiv zu erfragen. Dies bestätigen sowohl Wissenschaftler als auch Laboranten im Interview: „Ich habe jetzt viel mehr Kontakte zu Kollegen mit anderer Expertise.“ Und: „Meine Kollegen zeigen mir dann ihre Methoden und wir helfen uns gegenseitig bei unserer Arbeit.“ In diesem Zusammenhang half auch das Mithören anderer Konversationen im offeneren Raum. Ein Wissenschaftler erzählte: „Themen zufällig mit an- zuhören, passiert definitiv sehr häufig. Vor allem wenn Kol- legen über Ansätze sprechen, die den eigenen sehr ähnlich sind. Dann weiß man, dass man später mit diesen Kollegen sprechen sollte.“ Nicht nur die Visibilität der Kollegen erhöhte sich, sondern auch die der Materialien, mit denen gearbeitet
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