Personal Quarterly 1/2021
PERSONALquarterly 01/21 12 SCHWERPUNKT _FUTURE WORK: DIE ROLLE DES BÜROS Space-Büro mit integriertem, offenem Nasslabor umziehen ließ. Die neue Arbeitsumgebung bedeutete eine erhebliche Im- mobilieninvestition mit dem Ziel, informelle Interaktion und interdisziplinären Wissenstransfer zu steigern. Die Daten werden über ein hybrides Forschungsdesign erhoben, welches quantitative Beobachtungsdaten von Kom- munikationsevents sowie qualitative Interviewdaten in einer longitudinalen Studie zu drei Messperioden kombiniert: drei Monate vor und drei Monate nach sowie zwei Jahre nach dem Umzug. Gerade die sehr dynamische und komplexe Natur des pharmazeutischen F&E-Prozesses spricht für eine longitudina- le Datenerfassung. In der ersten und zweiten Messperiode wurden 26 Forscher und Entwickler aus drei verschiedenen hierarchischen Positi- onen beobachtet: Laboranten, Wissenschaftler und Gruppen- leiter. Laboranten führen hauptsächlich Laborexperimente und de- ren Datenanalyse durch. Wissenschaftler, die für ein bis drei Laboranten verantwortlich sind, koordinieren die Forschungs- projekte und berichten an einen Gruppenleiter, der eine stra- tegische Managementposition innehat. Ein geschlossenes Zellenbüro bzw. -labor war mit Arbeits- plätzen für zwei Laboranten sowie einem Labortisch für einen Wissenschaftler ausgestattet, der zusätzlich einen eigenen, ge- schlossenen Büroarbeitsplatz sowie die Führungsverantwor- tung für die Laboranten besaß. Alle geschlossenen Büros bzw. Labore waren entlang eines langen Korridors aneinanderge- reiht (vgl. Abb. 1a). Die quantitativen Beobachtungen fanden imMai 2010 für 30 Tage in den Zellenbüros bzw. -laboren in drei verschiedenen Gebäuden statt. Mehrere Beobachter waren über die Räum- lichkeiten verteilt und protokollierten ihre Beobachtungen. Die Beobachtungsprotokolle erfassten die Anzahl und Länge der Kommunikationsevents, die Anzahl der Konversationsteilneh- mer, den Ort sowie die hierarchische Beziehung der Kommu- nikationspartner. Ein verbaler Austausch von Angesicht zu Angesicht (Face-to-Face) zwischen zwei oder mehr Gesprächs- partnern, der über ein reines „Hallo“ hinausging, galt als Kom- munikationsevent, dessen Dauer mit Stoppuhren festgehalten wurde. Die 26 beobachteten Forscher und Entwickler waren über das Forschungsprojekt informiert, sodass die Beobachter nach einigen Tagen „zum Inventar“ gehörten und die Arbeits- abläufe nicht mehr störten. Im November 2010, drei Monate nach dem Umzug, erfolgte die zweite Messperiode für ebenfalls 30 Tage im neuen, offenen Multi-Space-Büro mit integriertem Labor (vgl. Abb. 1b). Im neuen Gebäude sind die 26 Forscher und Entwickler auf einem Stockwerk mit anderen Experten verschiedener Indikations- gebiete koloziert. Die Hygieneanforderungen des zentralen offenen Nasslabors werden durch spezielle Luftströme einge- halten. Mitarbeitende müssen Schutzgläser und -mäntel beim Betreten des Nasslabors tragen. Obwohl sich die Beleuchtung und Atmosphäre des neuen, modernen, vollverglasten Gebäu- des verändert hat, sind Ausstattung und Anlagen gleich geblie- ben. Im Vergleich zum alten Arbeitsplatz haben die Forscher und Entwickler heute circa 30 % mehr Platz am Labortisch, dafür circa 30 % weniger am Bürotisch. Für die quantitative Studie wurden 3.172 Kommunikations- events in den alten und im neuen Gebäude während 380,5 Beobachtungsstunden erfasst. Die dritte Messperiode, zwei Jahre später im November/ Dezember 2012, berücksichtigte die Erkenntnisse der ersten zwei Messperioden: Auf der persönlichen, individuellen Ebene war die Vergleichbarkeit nur noch zum Teil gegeben, da mehr als die Hälfte der zuvor beobachteten 26 Forscher in andere Abteilungen befördert worden waren oder das Unternehmen verlassen hatten. Um den interdisziplinären Austausch besser erforschen zu können, wurden in der dritten Messperiode alle kolozierten 46 Forscher für acht Tage mit einem veränderten Beobachtungsprotokoll beobachtet: In dieser Messperiode ging es vor allem um (1) die Art der Konversation, wie z. B. wis- senschaftlicher oder technischer Rat, Arbeitskoordination oder sozialer, nicht arbeitsbezogener Austausch, (2) den Ort der Konversation (z. B. Büro-, Labortisch, Korridor etc.) und (3) die Interdisziplinarität der Konversation. In allen drei Messperioden fanden zudem qualitative Be- obachtungen durch ein zusätzliches Beobachtungsprotokoll statt, das typische Arbeitsabläufe oder Verhalten der Forscher beschrieb. Die Protokolle wurden transkribiert und für die Da- tenanalyse kodiert. Die quantitativen und qualitativen Beobachtungen wurden in allen Messperioden durch Interviews trianguliert. In den ersten beiden Messperioden wurden die gleichen 20 Forscher Abb. 2: Anzahl der Beobachtungsstunden und der Kommunikationsevents Quelle: Heinzen et al. , 2018 # Beobachtungsstunden # Kommunikationsevents 1. Phase 147 984 2. Phase 233,5 2.188 3. Phase* 30 100 Gesamt 410,5 3.272 * Die 3. Beobachtungsphase ist nicht in der quantitativen Studie erfasst.
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