Personal Quarterly 1/2021

PERSONALquarterly 01/21 10 SCHWERPUNKT _FUTURE WORK: DIE ROLLE DES BÜROS S eit Jahrzehnten experimentieren wissensorientierte Organisationen im Rahmen der New-Work-Bewegung mit der Gestaltung von Arbeitsplätzen, um die für In- novation unverzichtbaren kollaborativen und interdis- ziplinären Arbeitsroutinen zu unterstützen. Viele traditionelle Zellenbüros und -labore der 50er- und 60er-Jahre wurden nach und nach in offenere Bürolandschaften überführt und haben eine Diskussion über deren Vor- und Nachteile ausgelöst (u. a. Els- bach/Pratt, 2007; Morrison/Macky, 2017). Diese Debatte wird vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie wieder aktueller: Denn viele Großfirmen haben, wie auch die folgende Fallstudie zeigt, signifikant in offene Büro- und Laborlandschaften investiert. Durch den Ausbruch von Covid-19 wurden viele Mitarbeitende ins Homeoffice geschickt und sollen bzw. dürfen dort auch nach der Pandemie verbleiben. Die Frage stellt sich, ob die eigenen vier Wände des Homeoffice einem traditionellen Zellenbüro der 50er- und 60er-Jahre nicht wieder sehr nahekommen? Dies hat mit Sicherheit unmittelbare Folgen auf Teamkommunikation und Wissenstransfer: Erste Studien während der Pandemie zeigen, dass der Rückzug vom Arbeitsort und der damit verbundene Entzug von direkten Kontakten die Spontaneität der Mitarbeiten- den und damit auch die Häufigkeit von Ad-hoc-Meetings senkt (Waizenegger et al., 2020). Gerade in Forschung- und Entwick- lungsabteilungen (F&E), um die es in diesem Beitrag geht, sind zufällige Begegnungen mit Menschen und Objekten ein Schlüs- sel zur Kreativität (Coradi et al., 2015). Denn Innovationsarbeit ist vielfach an technische Ausstattungen wie Labore oder Werk- stätten gebunden und oft das Ergebnis der Zusammenarbeit mit interdisziplinären internen und externen Partnern. Daher scheint es angebracht, noch einmal an die Effekte zu erinnern, die offenere Arbeitsumgebungen auf Kommunika- tionsmuster und Wissenstransfer in F&E-Abteilungen haben (Heinzen et al., 2018), um flexible Arbeitsverhältnisse mit Prä- senz und Homeoffice für die Zukunft zu optimieren. Arbeitsplätze und Kommunikation in der F&E Bereits 1970 zeigte Thomas Allen vom MIT, dass durch ge- ringere physische Distanz zwischen Arbeitsplätzen die in- formelle Face-to-Face-Kommunikation zwischen Kollegen in F&E-Abteilungen ansteigt (Allen, 1970). Seine Untersuchungen Visibilität in Forschung und Entwicklung: Wie der Arbeitsplatz die Kommunikation beeinflusst Von Prof. Dr. Mareike Heinzen (Hochschule Koblenz) und Prof. Dr. Roman Boutellier (ETH Zürich, Schweiz) wurden bis heute immer wieder bestätigt und um den Effekt von Bewegungsmustern und die Visibilität der Menschen am Arbeitsplatz erweitert, was den Trend zu Open-Space-Büros im letzten Jahrzehnt erklärt. Aber auch Kostenvorteile und Kon- trolleffekte spielen eine Rolle. Kritisiert werden Open Spaces dagegen wegen geringer Privatsphäre, hohen Geräuschkulis- sen, Ablenkung und Stress am Arbeitsplatz (Elsbach/Pratt, 2007). Um diese Nachteile auszugleichen, haben Architekten und Designer in den letzten Jahren den Schritt zum Multi- Space-Büro (auch als Kombibüros oder Activity-based flexible Offices bezeichnet) gewagt, welches Zonen für den individu- ellen Bedarf der Nutzer anbietet, wie bspw. Teamwork-Zonen, Ruhe- und Pausenräume, Kaffeebars, Bibliotheken oder Mee- tingräume (Wohlers/Hertel, 2016). Die wissensbasierte Organisation: Die Arbeit im pharmazeutischen F&E-Labor Die pharmazeutische F&E bietet ideale empirische Voraus- setzungen, den Einfluss der Arbeitsplatzgestaltung auf die Kommunikation in wissensintensiven Organisationen zu un- tersuchen, da sie imBesonderen durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) betroffen ist. Vor allem im letzten Jahrzehnt sind die F&E-Prozesse für Arzneimittel kom- petitiver und riskanter geworden: Höhere Anforderungen zur Sicherheit undWirksamkeit verlängern die klinischen Studien, was Kosten und Zeit bis zur Markteinführung erhöht. Während die Dauer des Patentschutzes konstant bleibt, steigt der Wett- bewerb durch Generika. Zudem erfordert die F&E von Medikamenten hohes implizites Wissen: Intuition und Erfahrung sind unerlässlich, wenn es um die Priorisierung von Experimenten oder das Testen von Hypo- thesen geht. Auch das Interpretieren von klinischen Routine- anwendungen erfordert erhebliches Know-how (Pisano, 2006). Die heutige Erforschung von Medikamenten ist ein sehr unsicherer Prozess, da sich durch die Molekularperspekti- ve der Suchraum für neue Medikamente erheblich erweitert hat, aber auch komplexer geworden ist. Die Umstellung in der Medikamentenforschung von einer rein chemischen hin zu einer biotechnologischen Lösungssuche verlangt Interdiszi- plinarität, um die Kenntnisse über den menschlichen Körper

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