Personal Quarterly 2/2021
56 SERVICE _FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 02 / 21 Forschen für die Firmenpraxis Carsten Schermuly bereitet Studierende der SRH Berlin auf die VUCA-Welt vor. Der Wirtschaftspsychologe forscht, lehrt und berät zu New Work, Coaching und Diversity. Ruth Lemmer, Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg D ie Position in der Hochschulleitung passt perfekt zu Professor Carsten Schermuly: An der SRH Ber- lin University of Applied Sciences verantwortet der Wirtschaftspsychologe als Vizepräsident seit 2019 Forschung und Transfer. Denn wissenschaftliches Arbeiten ist für den 40-Jährigen kein theoriegetriebener Selbstzweck. Seine Biografie weist vom Psychologie-Diplom neben der akademischen Laufbahn immer auch einen Praxisbezug zu Unternehmen auf: als Trainer und Coach, als Berater und Vor- tragender. „Unternehmen erleben derzeit viel Druck im Kes- sel“, sagt Schermuly. „Ich möchte dazu beitragen, individuelle Lösungen für zukunftsfähige Arbeitsstrukturen evidenzbasiert zu implementieren.“ Er rät: „Firmen sollten sich nicht zu früh auf eine New-Work-Methode fixieren, denn: One size fits not all.“ Und die Unternehmen müssen wirklich veränderungswil- lig sein. „Der Psychologe darf nie mehr arbeiten als der Klient.“ Praktisch bedeutet das: „Ich biete nur wenige Beratertage im Monat an.“ Für dieses knappe Gut findet Psychologe Schermu- ly leicht Unternehmen, die mit ihm und seinem analytischen Ansatz harmonieren, „weil die Firmen denWandel nach diesen Anstößen selbst schaffen“, ist der beratende Forscher über- zeugt. Diese Grundhaltung fließt in alle drei Themenfelder der Arbeits- und Organisationspsychologie ein, die Professor Schermuly als Forscher, Berater und als Lehrender kontinuier- lich vorantreibt: Coaching, New Work und Diversität. Psychologisches Empowerment macht Mitarbeitende zu Beteiligten Ins Leben startete Carsten C. Schermuly im Mai 1980 in Hahn- stätten, einembeschaulichenOrt nahe Limburg an der Lahn. Die Eltern – die Mutter Verkäuferin, der Vater Maschinenschlosser, später Maschinenbauingenieur – unterstützten den Sohn, der zusammen mit seinem Bruder als Erster in der Familie Abitur machte. Nach zwei Schleifen über die Malerei an der Akade- mie in Mainz und über Geschichte und Politikwissenschaften samt Zwischenprüfung an der Johannes-Gutenberg-Universität „habe ich mich einfach mal in die Psychologie-Vorlesung rein- gesetzt und bin geblieben“, erinnert sich Schermuly an seine Suche nach dem Fach, das ihn bis heute fasziniert. Früh spezi- alisierte er sich auf Wirtschaftspsychologie und wechselte nach Berlin an die Humboldt-Universität. Psychologie-Diplom 2007, Promotion am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsy- chologie 2011, Postdoc an der Technischen Universität Braun- schweig, Habilitation mit Lehrberechtigung in Psychologie bei AOW-Professor Jörg Felfe an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg 2018. Da war Schermuly schon sechs Jahre lang Professor für Wirtschaftspsychologie an der SRH Berlin und Studiengangsleiter Internationale BWL mit Schwerpunkt Wirt- schaftspsychologie. Er brachte und bringt seine Forschungs- ergebnisse an die Studierenden. Pro Modul werden bis zu 30 Studierende fünf Wochen lang an die Wirtschaftspsychologie herangeführt. In den Theorie-Praxis-Blöcken wird Fach- und Sozialkompetenz geschult – in Rollenspielen oder mit Lern- partnern, in Auswahlgesprächen oder Fallstudien. Unterneh- men, die ihre Zukunftsorientierung überprüfen wollen, liefern anonymisierte Daten für Lehre und Forschung, etwa für Disser- tationen, die der Wirtschaftspsychologe begleitet. Direkte Kommunikation in und mit Unternehmen wird „in der VUCA-Welt, auf die die Studierenden zusteuern, immer wichtiger“, so der Hochschullehrer Schermuly, der sich früh- zeitig mit dem Diskurs um Volatilität, Unsicherheit, Komplexi- tät und Ambiguität beschäftigt hat. „Instrument zur Kodierung von Diskussionen“ (IKD) lautet der schlichte Titel seines Ver- fahrens. Das IKD hat Carsten Schermuly in seiner Dissertation entwickelt. Damit ist es möglich, nonverbale Interaktionspro- zesse in Arbeitsteams zu analysieren. Vor allem die Dimen- sionen Dominanz und Affiliation werden damit erfassbar. In seiner Habilitation hat er untersucht, wie psychologisches Empowerment – also das Erleben von Bedeutsamkeit und Selbstbestimmung, Kompetenz und Einfluss – Mitarbeitende zu aktiven Beteiligten des Wandels macht. Für den Forscher sind die besten Argumente für Empowerment-Maßnahmen: mehr psychische Gesundheit, mehr Innovation, mehr Leistung und weniger Fluktuation. Schermuly macht daraus keine Ge- heimwissenschaft. In seinem Buch „New Work – Gute Arbeit gestalten“ veröffentlicht er den Fragebogen, mit demUnterneh- men messen können, wie empowert sich Mitarbeitende fühlen. Seine persönliche Power muss der 40-Jährige nicht erhöhen. Er nennt sich selbst ein Arbeitstier und hält seine Energie für eine gute Ressource. Seine Erfolge wiederum sind Beweis, dass
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