Personal Quarterly 2/2021
55 02 / 21 PERSONALquarterly Mehr bei Mitarbeitenden. Doch der Wirtschaftspsychologe an der Karl-Franzens-Universität Graz, der sich mit Arbeitszu- friedenheit und Führung beschäftigt, hält intrinsische Fak- toren für nachhaltiger als extrinsische wie Geld. Ein Gefühl der Wertschätzung auf der Beziehungsebene erhöht die Leis tungsbereitschaft eher als einmalige Zahlungen. „Kurzfristige Zufriedenmacher“ nennt Jiménez Bonuszahlungen und Ge- haltserhöhungen. „Geld gehört zu den eher schlechten Motiva- toren“, sagt der Forscher. „Denn die Freude und Zufriedenheit darüber hält nur rund drei Wochen an, danach relativiert die Gewöhnung den finanziellen Zugewinn.“ Die Gehälter, der Preis für die Arbeit, die Ansprüche der Mitarbeitenden und Manager steigen. Ganz anders funktionieren Start-ups. Dort wird die Leistungsbereitschaft von der gemeinsamen Sache vorangetrieben. Ein neues Projekt, die Entwicklung eines Pro- dukts, ein „Das-machen-wir“ fördert die Arbeitslust und die Zufriedenheit. Kommt eine gesundheitsförderliche Führung dazu, wird das Engagement auf einem hohen Level gehalten. Einkommen und Sekundäraspekte wie Statussymbole treten dahinter zurück. Feldstudien zu Leistungsstärke und Zufriedenheit fehlen Arbeitspsychologe Jiménez betont allerdings, dass Erkennt- nisse über Motivatoren für Leistungsstärke und Zufriedenheit zu selten aus experimenteller Forschung stammt. „Das meiste wird im Labor untersucht oder aus querschnittlichen Befra- gungen gewonnen“, sagt er. „Was fehlt, sind Feldstudien.“ Die könnten zeigen, wo stark wettbewerbsgetriebene Menschen arbeiten, welche Wertesysteme hinter Personalmanagement entscheidungen stecken und wie Arbeitsgestaltung, Zufrie- denheit und Leistung sich gegenseitig positiv oder negativ beeinflussen. Die negativen Seiten des Wettbewerbseffekts von Bonus systemen hat Professorin Petra Nieken untersucht, die den Lehrstuhl für Human Resource Management am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) innehat. In experimentellen Stu- dien ließ die Forscherin Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Labor um einen Bonustopf konkurrieren. Im Rahmen dieses Projekts kam zum einen heraus, dass Menschen, die im Wett- bewerb hinten liegen, sich weniger anstrengen und sogar die Arbeit der Spitzenleute sabotieren, um ihnen den Bonus zu schmälern. Zum anderen halten Spitzenleute ihre Leistung zurück, um nicht Opfer von Sabotage zu werden. Trotz dieser ernüchternden Ergebnisse sieht Nieken im Bonus „ein Signal der Wertschätzung“. Die Professorin versi- chert: „Boni können die Leistung verbessern, aber ein höherer Bonus bewirkt nicht zwangsläufig eine lineare Steigerung.“ Und: „Boni müssen auf die individuelle Leistung abbildbar sein.“ Empfundenes Unrecht blockiert die Motivation. Das lie- ge auch daran, dass Anerkennung durch Führungskräfte viele Facetten habe. Ein spezifisches Lob nach der Erledigung einer bestimmten Aufgabe wirke stärker als ein Lob für Selbstver- ständlichkeiten im Job. Wertschätzung digital zu übermitteln, wie es in der derzeitigen Pandemie mangels anderer Kon- takte nötig wird, birgt Schwierigkeiten, da Körpersprache und Stimmlage gar nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Doch trotzdem lässt sich durch gezielte Kommuni- kation Wertschätzung übermitteln. Ob Lob oder Bonus, die Reaktionen der Chefs müssen fair erscheinen. Dann halten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Krise auch vermehrt zusammen, um die Firma zu retten. Ergebnisse aus einem La- borexperiment zeigen, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam arbeiten, um die Firma zu retten, und nicht nur an den eigenen Bonus denken. Auch in der Firmenrealität gibt es dafür Beispiele wie den Verzicht auf Urlaubstage und freiwilli- ge Mehrarbeit. Petra Nieken beobachtet das aktuell: „Bei einem exogenen Schock schnallt jeder den Gürtel enger und krempelt die Ärmel hoch.“ V. l. n. r.: Prof. Dr. Patrick Kampkötter (Eberhard Karls Universität Tübingen), Prof. Dr. Paulino Jiménez (Karl-Franzens-Universität Graz), Prof. Dr. Petra Nieken (KIT – Karlsruher Institut für Technologie) Foto: Christoph Jäckle/Universität Tübingen
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