Personal Quarterly 2/2021

54 SERVICE _DIE FAKTEN HINTER DER SCHLAGZEILE PERSONALquarterly 02 / 21 H erbert Diess wird für das Jahr 2020 rund fünf Mil- lionen Euro Gehalt erzielen. Dabei war der VW- Vorstandschef, wie das Handelsblatt am 14.7.2020 schrieb, im Jahr davor mit fast zehn Millionen Euro der neue „Dax-Topverdiener“, nachdem Bill McDermott mit mehr als 15 Millionen Euro seinen SAP-Chefposten aufgegeben hatte. Der Gehaltsverlust jetzt trifft gleich den ganzen Vorstand des Wolfsburger Autobauers. Focus titelt am 29.11.2020: „Boni fallen weg, Gehalt halbiert: Coronakrise kostet VW-Bosse Mil- lionen.“ Business Insider schlüsselt die Gründe am 28.12.2020 auf: Die für die variable Vergütung entscheidenden Mindest- ziele bei Gewinn und Umsatzrendite können im Pandemiejahr nicht erreicht werden. Weniger gebeutelt sind die weltweit 18.000 Manager unterhalb des Vorstands. Nach der Umstel- lung des Vergütungssystems sind ihnen mindestens 90 % der Vorjahreszahlungen garantiert. Das bonuslose Jahr trifft sie also nicht so sehr. Im Frühjahr wird es nicht nur in börsennotierten Aktien- gesellschaften, sondern auch in anderen Unternehmen ein böses Erwachen für so manchen Manager mit hohen Bonus- anteilen am Jahresgehalt geben. Knorr-Bremse, von München aus weltweit unterwegs mit Bremssystemen, erklärt im Per- sonalmagazin 2/2021, dass „der variable Bestandteil der Ma- nagergehälter, der bis zu 50 % beträgt, eher gering ausfallen wird und nicht gegenkompensiert werden kann“. Wird nun das Bonussystem als Idee beschädigt? Sind Fixgehälter überle- gen? Wissenschaftler sind uneins. Bonussysteme betonen den Wettbewerb, aber ein kalkulierbares Einkommen hält den Kopf frei für die Arbeit. Auch Medien diskutieren regelmäßig die Al- ternative. „Geld ist nicht alles“, berichtet der Harvard Business Manager am 25.6.2020 in einemArtikel über Motivation. Diese Zeile schrieb das Manager Magazin schon am 10.8.2009 über einen Artikel über Manager, die weder besonders gierig noch besonders leistungsbereit seien. Werden Manager also nur mit der Schulter zucken, wenn das Coronajahr ihr Einkommen schmälert, weil die Boni wegfallen? Oder werden sie illoyal und sich auf Jobsuche machen? Die Datenlage für Pay Cuts ist nicht sehr gut. Selten werden Einschnitte und Unzufriedenheit gleichzeitig gemessen. Die Einschätzung liegt nahe, dass hochproduktive Mitarbeitende Das Coronajahr kratzt an der Managervergütung. Das wird die kommende Geschäfts­ berichtssaison zeigen. Je höher der variable Bestandteil, desto größer die Verluste. Empfundenes Unrecht macht unzufrieden und Manager gehen, wenn der Referenzlohn in anderen Un- ternehmen höher ist. Doch Professor Patrick Kampkötter bleibt für die aktuelle Pandemiesituation vorsichtig. „Wie Gehalts- einbußen wirken, deren Ursache ein exogener, unerwarteter Schock wie das Coronavirus ist, das wurde bisher noch nicht umfassend mit realen Daten erforscht“, sagt der Lehrstuhlinha- ber für Managerial Accounting an der Eberhard Karls Universi- tät Tübingen. Allerdings gilt für ihn generell: „Jemandem Geld wegzunehmen, das wirkt stärker als eine Gehaltserhöhung.“ Wie so oft spielt die Kommunikation eine wesentliche Rolle. So können Unternehmen die Finanzkrise als Referenz nutzen. Damals wurden so manche Gehaltsverluste schon ein Jahr spä- ter wieder überkompensiert. Branche und Wettbewerber bilden Peergroup Kampkötter hält im Vergleich zwischen Fixgehalt und Bonus das Anreizsystem in der Krise zwar für überlegen: „Wer vor der Krise variabel auf der Basis von freiwilligen Leistungen zahlt, kann in der Krise leichter Kosten senken als Unternehmen mit einem hohen Fixkostenblock.“ Er warnt allerdings gleichzeitig davor, das gleiche System jedem Unternehmen aufzupfropfen. Verhaltensökonomische Untersuchungen haben nämlich er- geben, dass Mitarbeiter und Manager unterschiedlich ticken. Deshalb müssen Personalmanager vor der Installierung eines Gehaltssystems die Eigenschaften der Mitarbeiter analysieren: Wie hoch ist die Ungleichheitsaversion? Was bewirkt die Wech- selwirkung zwischen vertrauensvollem Chef und engagierten Mitarbeitern? Beschäftigt das Unternehmen eher Eigennutz- maximierer als loyale Teamplayer? Diese Fragen stellen sich im Prinzip auch für Topmanager. Mangels Vergleichsmöglich- keiten beim eigenen Arbeitgeber wird die Peergroup für die Bo- ni außerhalb gesucht – in der Branche oder bei Wettbewerbern. „Wichtig ist Transparenz“, meint Patrick Kampkötter. „Damit sich nicht jeder seine eigene Peergroup bastelt.“ Auch Professor Paulino Jiménez vermutet, dass die Peer- group eine umso höhere Bedeutung erhält, je weniger fakten- geprägt Geld und Lob begründet werden können. Die größere Limousine des Nachbarn, das dickere Aktienpaket, die höheren Gehaltsposten in den Geschäftsberichten wirken unter Top­ managern ebenso wie ein bescheidenes, aber erkennbares Ruth Lemmer , Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg

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