Personal Quarterly 2/2021

PERSONALquarterly 02 / 21 44 NEUE FORSCHUNG _EMPLOYER BRANDING Diskussionen ging es allgemein darum, was als brauchbare Information im Zuge der Jobsuche erachtet wird, aber auch ganz konkret um die Bewertung der im Experiment präsen- tierten Informationsquelle. Es wurden zwölf Gruppendiskussi- onen zur (Karriere-)Website, zwölf zu Arbeitgeberbewertungen und zwölf zu beiden Informationsquellen durchgeführt, digi- tal aufgezeichnet, transkribiert und einer theoriegeleiteten Inhaltsanalyse unterzogen. Es wurden Muster dahingehend identifiziert, auf welcher Basis Informationen von der Website bzw. aus Arbeitgeberbewertungen interpretiert werden und zu einer Bewertung führen. Die Konventionentheorie (Boltanski/Thévenot, 2006) geht von sechs idealtypischen Wertordnungen (die als Interpreta- tionsschemata dienen) aus und beschreibt sog. Welten, auf die sich Menschen rechtfertigend beziehen, um in komplexen Si- tuationen der Informationsverarbeitung Kritik bzw. Wertschät- zung zu äußern und so Unsicherheiten in Hinblick auf künftige Handlungen zu reduzieren. In Abbildung 3 findet sich eine Übersicht zu den zentralen Merkmalen, die eine Welt der be- stimmten Wertordnung nach charakterisieren und auf welchen Informationen der Fokus in der Wahrnehmung jeweils liegt. Die Welt des Marktes wird herangezogen für Informationen, die die Berechnung des eigenen Nutzens ermöglichen. Wenn Informationen zu den effektiven Jobanforderungen als relevant angesehenwerden, wird der Bezug zur industriellenWelt herge- stellt. Informationen, die ein Gefühl über lokale Gegebenheiten vermitteln, sind im Zusammenhang mit der häuslichen Welt wichtig. Frei zugängliche Informationen, die den Bewerbungs- prozess fairer machen, sind in der staatsbürgerlichen Welt von wesentlicher Bedeutung. Die Erwartung, authentische Infor- mationen zu erhalten, geht auf die Welt der Inspiration zurück. Wenn hinsichtlich der präsentierten Informationen der gute Ruf thematisiert wird, wird die Welt der Meinung adressiert. Wenn sich Jobsuchende untereinander austauschen und ihre Ansichten zu Informationen von (Karriere-)Websites bzw. aus Arbeitgeberbewertungen rechtfertigen, relativieren sich die zuvor beobachteten Effekte. Es geht nicht mehr um die bloße Wahrnehmung der Attraktivität des Arbeitgebers, sondern es werden vielmehr die Qualität der Informationen und die Glaub- würdigkeit der Informationsquelle diskutiert. Das trifft sowohl auf die (Karriere-)Website für sich alleine genommen als auch auf Arbeitgeberbewertungen zu. Im Folgenden werden drei Kernergebnisse der Gruppendiskussionen vorgestellt, wobei jeweils das Ergebnis zunächst benannt und dann erläutert wird. Kernergebnis 1: Der ursprünglich positive Effekt der (Karriere-)Web- site wird gedämpft. Informationen werden als werbeähnlich, unper- sönlich und überladen kritisiert. (Karriere-)Websites sind die wesentliche Anlaufstelle für Bewerber*innen, aber diese sind sich bewusst, dass Organisa- tionen die Informationen kontrollieren und nichts preisgeben, was das Image des Unternehmens beeinträchtigen könnte. Die skeptischen Aussagen gehen auf die Welt der Meinung, auf die häusliche und industrielle Welt zurück. Wenn die Web- site als „plumpe“ Werbung empfunden wird oder übermäßig positive Elemente enthält (z. B. „Model-Fotos“ von Mitarbei- tenden), schmälert das die Reputation. Außerdem wecken die Inhalte Misstrauen, wenn kein Gefühl dafür entsteht, wie der Arbeitsalltag mit Kolleg*innen oder die Atmosphäre vor Ort aussieht. Auch ein Zuviel an Informationen oder ein Mangel an konkreten Informationen zum Job wird als ineffizient bewertet. Kernergebnis 2: Der ursprünglich negative Effekt von Arbeitgeber- bewertungen relativiert sich. Sie werden kritischer gesehen, da sie möglicherweise Informationen über tatsächliche Arbeitsbedingun- gen verfälschen, von Fremden verfasst und zu unsystematisch sind. Wie Arbeitgeberbewertungen genau zustande kommen, ist für Jobsuchende fraglich. Die Glaubwürdigkeit der Quelle wird infrage gestellt. Kritische Aussagen benutzen Argumente aus der Welt des Marktes, der häuslichen und der industriellen Abb. 2: Gemischte Signale aus mehreren Quellen 6 5 4 3 2 1 0 Reputation* Arbeitgeber­ attraktivität** Intention für Bewerbung* Zunächst (Karriere-)Website, dann Bewertungsplattform *: p<0,05; **: p<0,01 T0 T1 *: p<0,05; **: p<0,01 6 5 4 3 2 1 0 Reputation* Arbeitgeber­ attraktivität** Intention für Bewerbung* Zunächst Bewertungsplattform, dann (Karriere-)Website T0 T1 Quelle: Eigene Darstellung

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==