Personal Quarterly 2/2021
PERSONALquarterly 02 / 21 40 NEUE FORSCHUNG _WORK-LIFE-BALANCE beits- und Privatleben im Weg steht. Paradoxerweise gehen IKT-bedingte höhere Arbeitsanforderungen mit einer höheren arbeitsbezogenen IKT-Nutzung in der Freizeit einher, was auf einen Teufelskreis – und somit die Schattenseiten – von IKT im Arbeitsalltag von Führungskräften hinweist. Zeitgleich zeigt sich, dass nicht jede arbeitsbezogene IKT-Nut- zung außerhalb der Arbeit mit verminderter WLB einhergeht. Vielmehr scheint es, dass das pure Schreiben und Lesen von E-Mails außerhalb der Arbeitszeit nicht als Einschränkung emp- funden wird. Entsprechend der bereits angesprochenen mög- lichen Vorteile von IKT, wie bspw. einer höheren Flexibilität in der Ausführung der Arbeit, kann es auch förderlich für die WLB sein, arbeitsbezogene E-Mails flexibel beantworten zu können. So kann z. B. das Kind vom Kindergarten abgeholt werden und man gemeinsam auf den Spielplatz gehen, anstatt noch im Büro sein zu müssen; die liegengebliebenen E-Mails werden bearbei- tet, wenn das Kind im Bett ist. Auch ist es denkbar, dass sich Führungskräfte angenehme oder leicht zu bearbeitende E-Mails für den Feierabend aufsparen. Die Smartphone-Nutzung lässt sich möglicherweise weniger leicht steuern (z. B. eingehende Anrufe). Einschränkend ist zu sagen, dass wir uns nur WLB angeschaut haben und nicht bspw. Burn-out. So ist es denkbar, dass sich die E-Mail-Beantwortung außerhalb der Arbeitszeit zwar nicht auf dieWLB auswirkt, dennoch aber effizienter Erho- lung im Weg steht und somit zur Entstehung von Burn-out und anderen Beanspruchungsreaktionen beitragen kann. Praxisimplikationen Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass Unternehmen ihre Führungskräfte nur mit Bedacht dazu an- regen sollten, Arbeit „mit nach Hause zu nehmen“ und IKT für deren Erledigung einzusetzen. In Bezug auf die Arbeits- platzgestaltung kann eine sorgfältige Überwachung der durch IKT bedingten Arbeitsanforderungen eine wesentliche Maß- nahme sein, um bei zu hohen Anforderungen eingreifen zu können. In Bezug auf WLB zeigen unsere Ergebnisse, dass vor allem die Reduzierung IKT-bedingter Arbeitsbelastung ein wichtiger Ansatzpunkt ist. Organisationen sollten zudem ein Klima schaffen, in dem alle Mitarbeitenden – und somit auch Führungskräfte – ihre eigenen Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben ziehen und einhalten dürfen. Unternehmen sollten ihre Erreichbarkeitserwartungen konkret ansprechen und or- ganisatorische Erwartungen hinsichtlich des Antwortverhal- tens außerhalb der Arbeitszeit klären. Führungskräfte sollten hierbei als Vorbild für ihre Mitarbeitenden fungieren und eine Interaktion über die Arbeitszeit hinaus selbst einschränken. Auch wenn eine organisatorische Erwartungshaltung der ge- nerellen Erreichbarkeit an die Mitarbeitenden nicht empfohlen wird, kann es für einige Jobs oder Organisationen erforderlich sein, dass Führungskräfte mit hoher Priorität erreicht wer- den. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Führungskräfte sogar im Urlaub und bei Krankheit die Erwartung der ständigen Er- reichbarkeit erfüllen, was – wenngleich es keinen Einfluss auf die wahrgenommene WLB hat – negative Einflüsse auf bspw. Burn-out haben könnte (Barber /Santuzzi, 2015). Neue technologische Entwicklungen (z. B. Time Out, Off- time oder Boomerang) könnten hierbei relevant werden, indem bspw. Zeitfenster für den E-Mail-Posteingang und Pausen de- finiert werden, um dadurch eine konstante Überwachung von E-Mails zu verringern. Dies könnte zudem dazu genutzt wer- den, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu verbessern (Gadeyne et al., 2018). Zusätzlich könnten spezifische organi- sationale IKT-Nutzungsrichtlinien zu Antwortzeiten innerhalb des Arbeitstags oder an den Wochenenden, elektronische Ab- Abb. 3: Vorhersage von Work-Life Balance Quelle: Eigene Darstellung 3a Kontrollvariablen Alter n.s. Geschlecht n.s. Anzahl Mitarbeiter n.s. Prädiktorvariablen: IKT-Anforderungen Erwartungen an die Reaktionsgeschwindigkeit n.s. Erwartungen an ständige Erreichbarkeit n.s. IKT-bezogene Lernerwartungen n.s. I KT-bedingte Arbeitsbelastung - Technische Probleme am Arbeitsplatz n.s. Anmerkungen: + = positiver, signifikanter Zusammenhang: „je mehr, desto höher“ - = negativer, signifikanter Zusammenhang: „je mehr, desto niedriger“ n.s. = nicht signifikant: kein nennenswerter Zusammenhang 3b Kontrollvariablen Alter n.s. Geschlecht n.s. Anzahl Mitarbeiter n.s. Prädiktorvariablen: IKT-Anforderungen E-Mail außerhalb der Arbeitszeit n.s. Smartphone-Nutzung am Feierabend - 3c Indirekter Zusammenhang IKT-bedingte Arbeitsbelastung Smartphone-Nutzung am Feierabend WLB
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==